Valentin Krasnogorov

 

 

 

 

Heute oder nie

Versuch, das Lustige im Traurigen zu finden

mit einer Pause zum Nachdenken.

 

 

Aus dem Russischen von Albrecht D. Holzapfel

 

 

(Wenn Sie keine Angst haben, in den Spiegel zu schauen,

beeilen Sie sich, einen Blick auf sich zu werfen!)

 

 

 

 

 

 

Contacts:

 

e-mail:           valentin.krasnogorov@gmail.com

Site:               http://krasnogorov.com

 

Übersetzung: © Albrecht D. Holzapfel 2015 Jalta/UA, Herrenberg/D

E-Mail:  ruvyk@mail.ru

 

 


 

Über den Autor:

Der Name Valentin Krasnogorov ist Theaterliebhabern in Russland und vielen anderen Ländern bekannt. Seine Stücke , die in mehr als 400 Theatern aufgeführt werden, finden bei Kritikern und Zuschauern sehr positive Aufnahme. Die Aufführungen in mehr als 700 Amateurtheatern zeugen von der großen Beliebtheit des Dramatikers. So herausragende Regisseure wie Georgy Tovstonogov, Lev Dodin und Roman Viktyuk arbeiten an den Produktionen seiner Stücke.

Mit gleichem Können kreiert er Multi-Act- und One-Act-Stücke verschiedener Genres - Comedy, Drama, Tragödie. Die Spannungen und Konflikte seiner Stücke werden durch lebhaften Dialog und schnelles Handeln gelöst. Der Autor verwendet paradoxe Situationen und ungewöhnliche Handlungen, um Leser und Betrachter in die Welten zu ziehen, die durch seine Vorstellungskraft geschaffen werden. Scharfe Satire, subtiler Sinn für Humor, Groteske, Absurdität, Lyrik, tiefes Eindringen in die menschliche Natur - das sind die Hauptmerkmale von Krasnogorovs Werken.

Die Stücke des Dramatikers sind fest im Repertoire der Theater verankert und halten Hunderten von Aufführungen stand. Kritiker bemerken, dass "Krasnogorovs Stücke leicht Grenzen überschreiten" und dass sie "zu den besten zeitgenössischen Stücken gehören". Viele von ihnen wurden in Fremdsprachen übersetzt, in Theatern, in Radio und Fernsehen in verschiedenen Ländern (Australien, Albanien, England, Bulgarien, Deutschland, Indien, Zypern, Mongolei, Polen, Rumänien, Slowakei, USA, Türkei, Finnland, Montenegro, Tschechische Republik) aufgeführt und erhielten Preise bei ausländischen Theaterfestivals, darunter den "Preis für das beste Drama" und den "Publikumspreis". Krasnogorov fungiert auch als Prosaschreiber und Publizist, Autor von Artikeln über Theater, Novellen, Kurzgeschichten und Essays, die in verschiedenen Publikationen veröffentlicht wurden.

Valentin Krasnogorov ist Präsident der St. Petersburger Dramatiker-Vereinigung. Einer der Gründer der Gilde der russischen Dramatiker Gild. Seine Biografie ist in den Nachschlagewerken der Welt enthalten: "Who is Who in the World" (USA), "International Who is Who in the Intellectuals" (England, Cambridge) usw.

Krasnogorovs Buch Grundlagen der Dramaturgie. Theorie, Technik und Praxis des Dramas wurde von namhaften Persönlichkeiten des Theaters gelobt. Er ist außerdem Gründer und erster Präsident der Dramatists Guild of St. Petersburg.

32 Übersetzungen von Krasnogorovs Stücken in Englisch, Französisch und Deutsch sind jetzt als Amazon-E-Books erhältlich.

Zusammenfassung

Eine Erkundung der modernen Ehe in Form einer Komödie, bittersüß und sehr witzig. Kritiker aus Polen, Bulgarien und der Tschechischen Republik bemerkten „die tiefe Bedeutung und den Witz dieses Stücks, aber weise und warnend“, seine „großartige Struktur und seinen funkelnden Dialog“. A. Shirvindt schloss das Vorwort zu diesem in Modern Dramaturgy veröffentlichten Stück mit den folgenden Worten: „Wenn Sie keine Angst vor einem Spiegel haben, beeilen Sie sich, hineinzuschauen.“ In Bulgarien wurde eine auf diesem Stück basierende Aufführung mit dem Preis für die beste Komödie der Saison ausgezeichnet. Handlung: Ein Mann und eine Frau laden ihre beiden Freunde (einen Mann und eine Frau) zu einer Party ein. Alle vier sind durch komplexe Beziehungen miteinander verbunden und jeder wartet auf die Entscheidung seines Schicksals: heute oder nie. Das Stück wurde erfolgreich in Theatern aufgeführt und in Fremdsprachen übersetzt. Rollen: weiblich:2; männlich: 2.


 

Vorwort des Autors

 

Das Stück „Heute oder nie“ kann beim ersten Lesen als leichtgewichtige Beziehungskomödie erscheinen. Trotzdem sind die Beziehungen gar nicht so lustig (für die Helden), ist die Intrige gar nicht so verworren und die Handlung nicht so zielstrebig, wie es dieses Genre sonst fordert. Zudem glänzen ihre Personen weder mit Scharfsinn, noch mit hohen moralischen Qualitäten, (daher der Untertitel „Zug der Zwerge“) Das Stück führt niemanden vor und bestätigt nichts. Deshalb mag auch sein Thema flach erscheinen. Aber warum geht es dann den Zuschauern so unter die Haut?

 

Das Thema des Stücks ist in der Tat sehr wichtig: Ehe und Familie. Wen betrifft das nicht? Was kann wichtiger sein, als Glück in jedem Haus unter jedem Dach?  Und gerade persönliches Glück fehlt den Leuten katastrophal. Vor Schreibbeginn des Stücks hat der Autor gründlich  Arbeiten über Familien-soziologie studiert. Es stellte sich heraus, dass es sehr wenig glückliche Ehen und viel zu viele Scheidungen gibt. Die Ehepartner trennen sich, um ihr Glück in der nächsten Ehe zu finden, aber die unerbittliche Statistik zeigt, dass die zweiten Ehen noch erfolgloser, als die ersten sind. Den streitenden Ehepartnern erscheint die Scheidung als erwünschter Ausweg aus der Situation. Aber es stellt sich heraus, dass auch Scheidung und die damit verbundene Einsamkeit kein Glück bringen, und auch Geschiedene haben ihre Probleme…

Die Statistik hat zwar die Gründe für das Scheitern von Ehen herausgefunden, aber sie keineswegs beseitigt. In der Schule bringt man uns Algebra und Trigonometrie bei, die wir sofort nach dem Schulabschluss vergessen, aber keiner lehrt uns die Kultur der Beziehungen, niemand bereitet junge Menschen auf ihre zukünftigen Rollen als Ehemann und –frau vor.

 

Genau über all das ist dieses Stück geschrieben. Da es aber kein soziologisches Traktat darstellt, ist ihm natürlich die Form einer lustigen und gleichzeitig bitteren Komödie gegeben. Die Harmonie der Algebra verlassend, musste man wieder zur Harmonie zurückkehren, Soziologie und Statistik vergessen und ein lebendiges Stück schaffen.

 

Zur Erforschung des Charakters der Beziehungen müssten in diesem Stück mindestens 12 Personen auftreten. Aber tatsächlich ist die Handlung auf nur vier Personen konzentriert. Diese Konzentration verleiht dem Stück Fülle und verstärkt seine Komik, wobei sie an die Schauspieler schwierige Anforderungen stellt. Jede Person trägt drei Funktionen, zum Beispiel, Ehemann – Freund – verheirateter Liebhaber. Jeder Satz eines der Helden hat oft für die drei anderen einen unterschiedlichen Sinn, und für die Zuschauer einen dreifachen.

 

Die Personen des Stücks sind keine Helden. Sie sind gewöhnliche Leute mit ihren Schwächen, Schwankungen, Zweifeln und einer gehörigen Portion Egoismus. Deshalb ist es für den Zuschauer leicht, sich selbst oder eigene Charakterzüge zu  erkennen.  Aber ich verhalte mich zu den Helden mitfühlend. Sie sind unglücklich, wollen aber leidenschaftlich Glück und rennen ihm hinterher. Mag diese Jagd nach dem Glück  ein Rennen auf der Stelle sein, mag sie ein Zug im Kreis sein, mag sie damit enden, womit sie angefangen hat – uns ist es nicht gegeben, den ersten Stein zu werfen.

 

Das Stück wurde erfolgreich in viele Theatern aufgeführt und in Fremdsprachen übersetzt.

 

 

Anmerkungen des Übersetzers:

Kenner des Russischen wissen, wie reich diese Sprache an Mehrdeutigkeiten ist.

Das macht es dem Übersetzer oft nicht leicht, feinfühlige Bemerkungen und Anspielungen ins pragmatische Deutsch zu übersetzen. Manchmal ist das schlicht auch unmöglich.

 


 

 

 

 

 

Handelnde Personen:

 

 

Ehemann

sein Freund

Ehefrau

ihre Freundin

 


 

Erster Akt

(Die Bühne stellt die aufgeschnittene Wohnung von Ehemann und Ehefrau dar, Esszimmer, Schlafzimmer und Küche. Das Familienleben liegt „wie auf der Handfläche“. Zwischen den Einrichtungsgegenständen des Esszimmers befindet sich ein riesiger Kaktus in einem Kübel. Im Schlafzimmer sind ein breites Doppelbett, ein Kleiderschrank und ein Wand-spiegel. Die Küche ist gut möbliert.)

(Zu Beginn der Handlung sind Schlafzimmer und Küche leer. Im Esszimmer lauscht der Freund kaltblütig den erregten und verwirrten Worten des Ehemannes. Der geht nervös im Zimmer hin und her und sticht sich dabei an dem Kaktus.)

MANN: Drittens: Ihr Charakter ist völlig unmöglich.

FREUND: Dein Charakter ist, nebenbei gesagt, auch nicht aus Zucker.

MANN: Du stehst immer auf ihrer Seite. Viertens…

FREUND: Vielleicht sollten wir das aufschreiben, um nichts zu vergessen?

MANN: Das muss nicht sein. Bei mir hat sich das eingeprägt, und zwar so! (Krümmt  vier Finger und streckt den Daumen hoch.) Viertens und die Hauptsache… Nein, nicht die Hauptsache, darüber später, aber etwas sehr Wichtiges: Sie lebt überhaupt nicht für meine Interessen. Ich hab´ ihr gestern gesagt: Ich hab´ Unannehmlichkeiten bei der Arbeit. Und sie: Ich kann keine grünen Knöpfe für das Kleid auswählen. Genau so leben wir. Wir haben nur gemeinsam, dass wir unterschiedlichen Geschlechts sind.

FREUND: Bist du fertig?

MANN: Ich habe erst angefangen. Fünftens: Sie kann das Kind überhaupt nicht erziehen. Nur Pa-pa-pa und Ma-ma-ma. Und du denkst, aus natürlicher Milde der Seele? Keine Spur!

FREUND: Was willst du denn, Mutter ist eben Mutter.

MANN: Keine Mutter, sondern eine Bruthenne. Nur um in das Kind so viel Brei wie möglich zu stopfen und es wärmer einzuwickeln. Nicht so bei Tölpler…

FREUND: Was für ein Tölpler?

MANN: Was denn, du kennst Tölpler nicht?

FREUND: Hör´ ich zum ersten Mal.

MANN: Was denn Alter, du kennst  Tölpler nicht! Macht nichts, ich mach´ euch bekannt. Seine Frau erzieht das Kind so – einfach angenehm zuzusehen! Sagen wir…

FREUND: Über Tölpler später.

MANN: Gut, sechstens… Zum Teufel auch !..

FREUND: Was denn?

MANN: Ich hab´ mich an dem Kaktus gestochen… (Gibt ihm einen wütenden Tritt.)

FREUND: Du solltest weniger mit den Händen fuchteln.

MANN: Wo bin ich stehen geblieben? Ach ja, sechstens…

FREUND: Siebtens.

MANN: Sechstens.

FREUND: Zum Teufel mit dir, soll es sechstens sein.

MANN: Sechstens und die Hauptsache… Nein, nicht die Hauptsache, aber sehr wichtig… Errätst du es nicht?.. Ihre Familie.

FREUND: Etwa die Schwiegermutter?

MANN: Über die Schwiegermutter red´ ich schon gar nicht, das ist eine Herausforderung für jeden. Aber meine Frau hat noch eine Unmenge von Verwandten, und alle lehren mich, wie ich leben soll. Es gibt keinen freien Tag – immer hat eine der Tanten Geburtstag. Und als Zugabe noch allerlei Freundinnen und Ehemänner dieser Freundinnen. Du heiratest eigentlich eine Frau, aber leben musst du mit einer ganzen Horde. Egal, ob du im Hotel ein Einzelzimmer nimmst, du triffst immer auf eine Kaserne aus vierzig Leuten. Und das nicht nur für einen Tag, sondern fürs ganze Leben.

FREUND: Du hast, scheint mir, auch genügend Verwandte.

MANN: Das ist vielleicht ein Vergleich, ihre und meine Familie. (Stöhnt.) Dieser Tölpler, aus der Familie seiner Frau gibt es nur die Schwiegermutter, und die schickt nur einmal im Jahr von irgendwo her eine Glückwunschkarte… (Geht im Zimmer umher, den Kaktus dabei umgehend.)

FREUND: Alles? (In Stimmung gekommen.) Vielleicht öffnen wir solange ein Fläschchen?

MANN: Jetzt nicht. Wir warten noch.

FREUND: (Stöhnt.) Na gut, warten wir… Was gibt es als Siebtes?

MANN: Siebtens… Vielleicht schreiben wir es wirklich auf?

FREUND: Erinnerst du dich denn wirklich an alles nach Punkten?

MANN: Und ob! Soll ich es wiederholen?

FREUND: Nein, danke, kein Bedarf.

MANN: Ich kann. (Beflügelt.) Erstens…

FREUND: Nein, danke, kein Bedarf. Lieber „siebtens“.

MANN: Gut. Siebtens und als Hauptsache – diesmal wirklich das Wichtigste: Sie liebt mich nicht. Wir quatschen nur: Pflicht, Verantwortung, Geduld, Kompromiss, ideale Menschen, keinesfalls, nein, „das Leben muss man nehmen, wie es ist“, und so weiter, und deshalb, wenn man sich hineindenkt – wenn wir zusammen leben und uns nicht lieben, sind wir denn dann nicht Scheusale? (Stößt wieder mit dem Kaktus zusammen und gibt ihm wieder einen Tritt.)

FREUND: Nun, mein Lieber, was hat das mit Liebe zu tun? Einfach komisch, dir zuzuhören. Liebe ist eine Sache von Zweien, aber Ehe ist ein gesellschaftlicher Begriff.

MANN: (Nach einigem Schweigen.) Ich kann so nicht. Hier, siehst du den Kaktus? Wozu braucht sie dieses stachelige Scheusal? (Hysterisch.) Wozu? Nein, sag doch, wozu?!

FREUND: Beruhig dich!

MANN: Nein! (Entschlossen.) Es reicht. Ich scheide mich!

FREUND: Reg dich nicht auf!

MANN: Mir reicht´s.

FREUND: Habt ihr euch denn gestritten?

MANN: Wo hast du das denn her? Na, also… Ein bisschen.

FREUND: An so einem Tag? Das ist doch euer Festtag.

MANN: Eheleute streiten am meisten an Festtagen und Wochenenden. Und wir beide auch noch an Werktagen. Aber jetzt Schluss damit!

FREUND: Moment mal, ganz ruhig. Du wolltest dich doch auch im letzten Jahr scheiden lassen, hast dann aber gekniffen.

MANN: Aber diesmal felsenfest. Und versuch nicht, mich davon abzubringen.

FREUND: Das hab´ ich auch nicht vor. Wenn es nun mal keinen anderen Ausweg gibt…

MANN: Genau - gibt es nicht. Deshalb hab´ ich dich auch gebeten, früher zu kommen, um mich mit dir zu beraten.

FREUND: Worüber?

MANN: Nun… Mich von ihr scheiden zu lassen, oder nicht.

FREUND: Worüber sich hier beraten? Du hast dich doch schon entschieden?

MANN: Felsenfest.

FREUND: Wenn du dich felsenfest entschieden hast, dann scheide dich.

MANN: Und das Kind? Es der Kleinbürgerin überlassen, damit sie es nach ihrem Muster und Beispiel erzieht?

FREUND: Dann scheide dich nicht.

MANN: (Bitter.) Scheide dich nicht“…  Das Kind ist eine Sache, aber auch ich will Glück. Oder hab´ ich kein Recht dazu?

FREUND: Hast du.

MANN: Du wirst natürlich sagen, dass das Kind einen Vater braucht.

FREUND: Sag´ ich.

MANN: Und ich antworte dir: Wenn ich nicht aus diesem Alptraum ausbreche, dann bekomme ich einen Infarkt oder beende mein Leben in der Gosse. Und welchen Vater braucht ein Kind, einen lebenden oder toten?

FREUND: Wahrscheinlich einen lebenden.

MANN: Und was ist schlechter für das Kind, die Eltern getrennt zu sehen, oder im ewigen Skandal?

FREUND: (Nach einigem Nachdenken.) Nun denn, dann scheide dich.

MANN: Sich zu scheiden ist das Einfachste. Aber wo leben? Kaum hast du dich eingerichtet, eine Wohnung gekauft… Übrigens, wie findest du die Wohnung? Sie hat an Aussehen  gewonnen, nicht wahr?

FREUND: Eine Hütte, wie sie sein muss.

MANN: Siehst du, in die Schrankwand hab´ ich eine Bar eingebaut. (Zeigt die Bar.) Wenn du den Deckel öffnest, geht das Licht an. Drückst du auf den Knopf, kommen die Flaschen hoch.

FREUND: Sehr findig.

MANN: Alles ist geplant, Bruder.

FREUND: (Nimmt eine Flasche aus der Bar.) Vielleicht trinken wir darauf?

MANN: Auf jeden Fall. (Das Gesicht des Freundes hellt sich auf.) Später. Wenn wir zu Tisch sitzen. (Nimmt dem enttäuschten Freund die Flasche weg, stellt sie in die Bar zurück und schließt sie.) Ich hab´ kein Glück, Alter. Mehr oder weniger hab´ ich mich eingerichtet, mit Hausrat eingedeckt, und was nun? Ein Zimmer anmieten? Ich bin doch keine Zwanzig mehr, um alles von vorne zu beginnen.

FREUND: Scheide dich nicht.

MANN: Das heißt, sich das ganze Leben quälen? (Nach einigem Nachdenken.) Ich häng´ mich auf! Gleich hier, ohne vom Fleck zu gehen. Hast du einen Strick?

FREUND: Hab´ ich. (Holt aus seiner Aktentasche ein Knäuel Seil und gibt es dem Mann. Der besieht es sich mit Interesse und prüft die Festigkeit.)

MANN: Ausgezeichnetes Seil. Wo hast du es gekauft?

FREUND: Hier, im Laden gegenüber.

MANN: Wie viel hast du ausgegeben?

FREUND: Zwei zwanzig.

MANN: Wir müssen auch so eins kaufen, wir haben nichts, um die Wäsche zu trocknen. (Besinnt sich plötzlich.) Zum Teufel auch, von was red´ ich? Soll sie doch jetzt selber über Wäsche und Leinen nachdenken.

FREUND: Dann scheide dich.

MANN: Ich scheide mich auch. Nur eins ist schlecht – die Leute beginnen zu richten und zu quatschen. Sag was du willst, aber in der Scheidung ist etwas Beschämendes. Aber wozu erklären, du bist doch selbst geschieden.

FREUND: Ja, Bruder, dazu gratuliert man nicht.

MANN: Interessant, warum nicht.

FREUND: Was willst du? Familie – das ist die Zelleder Gesellschaft. In dem du die Familie zerstörst, zerstörst du die Gesellschaft. Deshalb schaut sie missbilligend darauf. Und dazu ist jede Scheidung ein moralisches Scheitern, das Eingeständnis der persönlichen Niederlage. Deshalb gratuliert man auch nicht.

MANN: Du stellst dir nicht vor, was für ein Durcheinander das gibt! Ihre ganze Verwandtschaft wird verrückt. Und meine auch noch.

FREUND: Das ist immer so. Wenn´s darum geht, zu helfen, dann findest du keinen, aber beim Einmischen sind alle die Ersten. 

MANN: (Verdreht die Augen und macht eine fremde Stimme nach.) „Mein Gott“, sagt die Tante der Schwiegermutter, „ihr habt doch so gut gelebt!“ (Mit seiner Stimme.) Und wenn die wüsste, wie viel Kraft für das Aufrechterhalten des Scheins draufgeht! Ich sag´ dir eins: Eine glückliche Ehe ist eine optische Täuschung. Von der Seite sieht es aus, als würde es ihn geben, aber drinnen gibt es ihn nicht. Einige verbergen ihre Gegensätze einfach besser, andere schlechter. (Vertraulich.) Wenn sich die ganze Familienbande mit den Überredungen, sich auszusöhnen, auf mich stürzt, dann halt´ ich das nicht aus. Ich bin ein schwacher Mensch.

FREUND: Dann scheide dich nicht.

MANN: Gute Ratschläge, einmal „scheide dich“, dann wieder „scheide dich nicht“. Was denkst du denn selbst darüber?

FREUND: Ehrlich?

MANN: Wie denn sonst.

FREUND: Scheide dich nicht.

MANN: Warum?

FREUND: Aus mehreren Gründen. Die Hauptsache, du bist noch nicht reif (dazu).

MANN: Was heißt „nicht reif“?

FREUND: Wenn du in dieser  Sache um Rat suchst, heißt das, dass du noch nicht reif (dazu) bist.

MANN: Glaubst du?

FREUND: Stell dir zum Beispiel vor, bei dir brennt es. Was wirst du dann machen, ohne dich umzusehen rennen, oder dich mit Freunden beraten? „Einerseits müsste man sich retten, andererseits ist es schade um das Teeservice“. Wenn du nicht spürst, dass du brennst, erstickst, umkommst, dann halt aus.

MANN: Und wenn ich nicht will, nicht aushalten kann?

FREUND: Was regst du dich denn auf? Jeder erwachsene Mensch hat sich entweder geschieden, oder wollte sich scheiden, oder will sich in Zukunft scheiden. Tu also nicht so, als seist du allein so unglücklich in der Welt. Bei allen ist es genauso. Nur haben sie keine sieben Punkte, sondern siebzig.

MANN: Und ich habe sieben hundert! Willst du, dass ich sie dir alle aufzähle?

FREUND: Nein, danke. Kein Bedarf.

MANN: Nein, ich sag´ sie. (Krümmt die Finger, wie zum Aufzählen.)

FREUND: Das lohnt sich nicht.

MANN: Achtens…

FREUND: Das reicht!

MANN: Mit einem Wort, ich bin fest entschlossen. Gleich wird sie kommen, und ich werf´ ihr alles hin.

FREUND: Ist das denn wert, den Festtag zu verderben?

MANN: Das ist kein Festtag, sondern der Jahrestag der Trauer. Und deshalb mach´ ich einen Strich darunter.

FREUND: Danach wirst du es bereuen.

MANN: Also, du sprichst von Feuer und so. Aber weißt du, warum ich aushalte? Weil ich kein Mensch mehr bin, sondern eine verkohlte Leiche. Ich bin ein ganzer Friedhof. Alle meine Träume, Pläne, Hoffnungen – alles ist begraben. Mir ist schon alles egal. (Sich immer mehr aufregend.) Jetzt kommt sie herein…

(Die Ehefrau tritt ein, eine schöne, junge Frau. In ihren Händen Tüten, Päckchen, Schachteln und ein Paar Boxhandschuhe. Die Freunde verstummen in Verwunderung.)

FRAU: (Den Ehemann küssend.) Glückwunsch, mein Lieber. Die sind für dich. (Reicht ihm die Handschuhe.)

MANN: Warum Boxhandschuhe?

FRAU: An so einem Tag wollte ich dir etwas Männliches schenken. Angenehm, neben sich einen richtigen Mann zu spüren. Wenigstens hab´ ich das gehört.

MANN: Ich boxe schon lange nicht mehr.

FRAU: Wirklich? Du redest so viel davon… Ich dachte, du boxt noch. (Dem Freund die Hand reichend.) Grüß´ dich.

FREUND: Gratuliere. (Holt aus der Aktentasche Blumen und reicht sie der Frau.)

FRAU: Danke. Du bist sehr aufmerksam. (Mit einem Seitenblick auf den Mann.) Nicht so, wie andere.

MANN: (An den Freund, laut.) Du wolltest doch rauchen gehen.

FREUND: Ich? Ach, ja… (Leise zum Mann.) Willst du ihr alles erklären? Weshalb überstürzen?

MANN: (Laut.) Nimm den Aschenbecher!

FREUND: (Leise.) Scheide dich nicht, du wirst es bereuen.

MANN: (Laut.) Feuerzeug gefällig?

FREUND: Nein, danke. (Geht hinaus.)

MANN: (Nach langem Zögern.) Ich muss mit dir reden.

FRAU: Ich mit dir auch. (Stellt die Blumen in eine Vase.)

MANN: Sache ist die, dass…

FRAU: Hast du Cognac gekauft?

MANN: Nein.

FRAU: Aber ich hab´ dich doch gebeten.

MANN: Keine Gelegenheit.

FRAU: Interessant, womit warst du denn so beschäftigt?

MANN: Ich hab´  dir ein Geschenk gesucht.

FRAU: Und – gefunden?

MANN: Gefunden. Aber darum geht es nicht. Siehst du, ich hab´ lange nachgedacht…

FRAU: (Unterbricht ihn.) Ich hab´ doch auch nachgedacht – was hast du mir gekauft? Parfüm?

MANN: Nein, kein Parfüm.

FRAU: Und was denn? Eine Uhr?

MANN: Auch keine Uhr. Du mir etwas Männliches – und ich dir etwas Weibliches.

FRAU: Einen Kochtopf etwa?

MANN: Später wirst du´s sehen. Aber jetzt geht´s nicht darum. Ich hab´ lange nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen…

FRAU: Lieber, lass uns die Schlüsse auf morgen verschieben. Heute nicht.

MANN: Aber man muss sich irgendwann…

FRAU: Man muss. Auf jeden Fall muss man. Aber jetzt nicht. Zeig mir lieber das Geschenk!

MANN: (Holt unwillig ein Päckchen hervor.) Nichts Besonderes.

FRAU: (Packt das Geschenk aus und findet darin ein Unterkleid.) Was für eine Pracht! Meine Lieblingsfarbe. Darf ich es gleich anprobieren? (Zieht Kleid und Unterwäsche aus.)

MANN: Aber hör mir trotzdem zu. Mein Entschluss wird für dich keine Neuigkeit sein, denn schon lange, so oder so…

FRAU: (In der neuen Unterwäsche.) Nun?

MANN: Gar nicht schlecht.

FRAU: Gefalle ich dir darin?

MANN: (Immer noch mit den Boxhandschuhen in den Händen, gleichgültig.) Du gefällst.

FRAU: (Umarmt und küsst ihn.) Danke.

MANN: (In der Umarmung der Frau.) Keine Ursache. Ich will sagen…

FRAU: (Hindert ihn durch einen Kuss am Reden.) Du brauchst nichts zu sagen. (Sie umarmt ihn fest, er lässt die Boxhandschuhe fallen und umarmt sie unwillkürlich ebenfalls.)

MANN: Es steht dir wirklich gut.

FRAU: Nicht zu kurz?

MANN: Gerade recht. (Er zieht sie zu sich und umarmt sie fester.) Ist die Tür abgeschlossen?

FRAU: Nein.

MANN: Vielleicht machen wir zu?

FRAU: Und die Gäste?

MANN: Warten solange.

FRAU: Unhöflich.

MANN: Egal.

FRAU: Du wolltest mit mir reden.

MANN: Später.

FRAU: Und jetzt nicht?

MANN: Nicht jetzt.

FRAU: Es klopft.

MANN: Du hast dich verhört.

FRAU: Sie kommen.

MANN: Das scheint dir so.

(Der Freund tritt ein.)

FREUND: Oh – oh… Ich störe doch nicht?

FRAU: (Bringt sich ruhig in Ordnung.) Überhaupt nicht.

MANN: Du gehörst doch zu uns.

FRAU: Ich bin in fünf Minuten fertig. (An den Mann.) Vergiss den Cognac nicht. (Geht ins Schlafzimmer, zieht sich an und besieht sich dabei aufmerksam im Spiegel. Der Mann zieht derweil die Boxhandschuhe an, weicht den Blicken des Freunds aus und beginnt zu boxen, in dem er einem imaginären Gegner Schläge versetzt.)

FREUND: Nun?

(Der Mann boxt unbeirrt weiter.)

FREUND: Wie lief´s?

MANN: Was meinst du?

FREUND: Hast du´s ihr gesagt?

MANN: Keine Gelegenheit.

FREUND: Zu feige?

MANN: Ich, zu feige? Du kennst mich schlecht. Sie ist nur listig, wie eine Schlange.

FREUND: Was hat sie dir gesagt?

MANN: Nichts.

FREUND: Und du ihr?

MANN: Auch nichts. Und warum auch? Es ist auch so alles klar. Besser gleich alles hinwerfen und weggehen. (Kickt die Hausschuhe von sich und zieht Schuhe an.)

FREUND: (Besorgt.) Meinst du das ernst?

MANN: (Zieht einen Mantel an.) Hast du denn gedacht, dass ich Spaß mache? (Nimmt einen kleinen Koffer.)

FREUND: Wohin gehst du?

MANN: Cognac kaufen. Sie hat darum gebeten. Ich komm´ bald zurück. (Geht hinaus.)

(Aus dem Schlafzimmer kommt die Frau ins Esszimmer zurück. Pause.)

FRAU: Nun?

FREUND: (Unsicher.) Was „nun“?

FRAU: Worüber habt ihr vor meinem Kommen gesprochen?

FREUND: (Ausweichend.) Über Verschiedenes.

FRAU: Weich nicht aus. Ich weiß doch, dass er sich wieder über die Scheidung ausgelassen hat.

FREUND: Wenn du´s schon weißt, warum fragst du dann?

FRAU: Worüber er geplaudert hat ist mir völlig egal. Aber sehr interessant ist, was du ihm geantwortet hast. (Der Freund schweigt.) Du hast ihn selbstverständlich davon abgebracht. Nicht wahr? (Der Freund macht eine unbestimmte Geste.) Ich frage dich - nicht wahr?

FREUND: Im Allgemeinen.

FRAU: Und jetzt versuch zu sagen, dass du ein Gewissen hast.

FREUND: Hör mal…

FRAU: (Nimmt schweigend ein Tischtuch.) Hilf mir!

FREUND: (Hilft schweigend, den Tisch damit zu decken.) Was hätte ich denn machen sollen? Du weißt doch, wie er sich aufschaukelt.

FRAU: Deshalb hättest du ihm auch ausreden sollen, sich zu scheiden. An und für sich entscheidet er sich nie.

FREUND: Ich konnte doch nicht…

FRAU: (Drückt ihm Gläser in die Hand.) Stell sie hin!

FREUND: Wie viele werden wir sein?

FRAU: Vier.

FREUND: Warum so wenige?

FRAU: Kein runder Jahrestag und kein Geld. Rück die Stühle näher.

FREUND: Der Kaktus stört. Soll ich ihn rausstellen?

FRAU: Soll er doch stehen, wo er steht. (Fegt fürsorglich mit einer Bürste den Staub vom Kaktus.)

FREUND: (Stellt die Gläser auf.) Wer wird der Vierte sein?

FRAU: Eine Freundin.

FREUND: Kenne ich sie?

FRAU: Nein. Aber sie wird dir gefallen. Du kannst sie hofieren.

FREUND: Erlaubst du?

FRAU: Besser, als meinem Mann idiotische Ratschläge zu geben.

FREUND: Warum „idiotische“?

FRAU: In dieser Geschichte verhältst du dich gemein und niedrig.

FREUND: Na, jetzt aber, nur nicht so hart.

FRAU: Was denn, hat dich das gekränkt?

FREUND: Überhaupt nicht.

FRAU: Stimmt nicht. Ich hab´ ins Schwarze getroffen, deshalb hast du dich auch erregt. FREUND: Ich hab´ doch das Recht, ihm Gutes zu wünschen.

FRAU: Und mir?

FREUND: Dir auch. Aber mit ihm hab´ ich in einer Klasse gelernt.

FRAU: Und mit mir?

FREUND: Mit dir auch. Aber er ist mir trotzdem ein Freund.

FRAU: Und ich? Wer bin ich für dich?

FREUND: Du? Wie soll ich es dir sagen… Du weißt es selbst.

FRAU: Und trotzdem? Zier dich nicht! Das ist kein Schimpfwort.

FREUND: Nun.. Eine Freundin.

FRAU: Ach, wie delikat.

FREUND: Hör zu… (Will sie umarmen.)

FRAU: (Drückt ihm Geschirr in die Hand.) Halt mal!

FREUND: Wozu?

FRAU: Um es zu halten.

FREUND:  Als er dich beschimpfte, und noch zu Unrecht, hätte ich da deiner Meinung nach einverstanden sein sollen?

FRAU: In unserem Verhältnis hättest du wenigstens so tun sollen, als wolltest du mich freisehen. Aber du hast am meisten Angst davor, dass ich plötzlich unverheiratet werde.

FREUND: (Flau entgegnend.) Nein, weshalb denn…

FRAU: (Hart.) Deshalb, weil eine verheiratete „Freundin“ bequemer ist. Sie stört nicht, drängt sich nicht auf, kostet keine Zeit, raubt nicht die Ruhe, drängt nicht in eure Angelegenheiten und vergreift sich nicht an eurer kostbaren Freiheit. Sie macht einfach, was erforderlich ist und verschwindet bis zum nächsten Treffen. Bequem, nicht wahr? Und die Hauptsache…

FREUND: Beruhig dich!

FRAU: …Und die Hauptsache ist, man kann so tun, als sei man mit ihr auf ewig zusammen, aber sie, zum Unglück, ist nicht frei.

FREUND: Hör auf!

FRAU: Ich weiß doch, dass du am meistens fürchtest, zu heiraten.

FREUND: Ich hab´ eine bittere Erfahrung.

FRAU: Ausrede.

FREUND: Du weißt nicht, wie viel ich von meiner früheren Frau schlucken musste.

FRAU: Worte. Dir darf man nicht glauben.

FREUND: Und dir kann man? Ich hab´ doch gesehen, was ihr hier getrieben habt.

FRAU: Mein Gott, was für ein Verbrechen! Man hat mich mit meinem eigenen Mann überrascht!

FREUND: Ich hab´ geglaubt, dass zwischen euch nichts ist.

FRAU: Mir scheint, du tust so, als seist du eifersüchtig.

FREUND: Ich tu nicht so, ich bin tatsächlich eifersüchtig.

FRAU: Wirklich?

FREUND: Wirklich.

FRAU: Wenn du willst, dann verlass´ ich ihn bei deinem ersten Wort?

FREUND: (Unsicher.) Hm… Verstehst du…

FRAU: (Hast du) Angst bekommen?

FREUND: Denk nicht, dass ich zurückstecke. Man muss einfach ein bisschen warten.

FRAU: Auf was warten?

FREUND: Das Ganze muss  irgendwie abstehen , reifen… Und dann, du wirst sehen, entwickelt sich alles wie von selbst.

FRAU: Also gut, dann verabreden wir uns so. Wenn bei dir heute nichts absteht und sich nichts entwickelt, dann geh davon aus, dass zwischen uns alles aus ist. Hast du mich verstanden? Heute.

MANN: (Tritt ein.) Was „heute“?

FREUND: Jahrestag. (Drückt dem Mann die Teller in die Hand.) Halt mal!

MANN: Weshalb?

FREUND: Um sie zu halten. (Geht hinaus und holt Zigaretten hervor.)

MANN: Was ist mit ihm?

FRAU: (Aufgeregt.) Wo ist der Cognac?

MANN: (Schuldig.) Keiner.

FRAU: Hast du denn keinen gekauft?

MANN: Unser Laden war wegen irgendetwas zu, und in den nächsten hab ich´s nicht mehr geschafft.

FRAU: Sogar das kannst du nicht erledigen. Mann… (Der Mann stellt wortlos die Teller auf den Tisch.) Du hättest wenigstens eine Krawatte anziehen können… Es ist trotz allem ein Datum.

MANN: Wozu? Es werden ja kaum Gäste da sein.

FRAU: (Ärgerlich.) Doch nicht wegen der Gäste. Wegen mir.

(Unzufriedenes Schweigen. Der Freund tritt ein.)

FREUND: (Spürt, dass es eine Auseinandersetzung gab.) Ich will euch eigentlich zu eurem Festtag etwas Großes und Starkes schenken. (Holt aus der Aktentasche eine Flasche.)

MANN: (Freudig.) Doch nicht etwa Cognac?

FRAU: Was rechtzeitig kommt, passt immer. (An den Mann.) Nimm dir ein Beispiel.

MANN: (Mit Gefühl.) Danke, Alter, du hast mir aus der Klemme geholfen. Wie hast du es nur geahnt, ihn mitzubringen?

FREUND: So etwas hab´ ich immer dabei. Für den Fall der Fälle.

FRAU: Na, gut. Ich geh´ und kümmer´ mich um das Gebäck.

MANN: Soll ich dir helfen?

FRAU: (Mit abschätzendem Blick auf ihn.) Das muss nicht sein. Öffnet lieber die Flaschen und bereitet alles Nötige vor. (Geht in die Küche und beginnt, das Gebäck zuzubereiten. An ihren hektischen Bewegungen erkennt man ihre schlechte Laune.)

FREUND: Wieder gestritten?

MANN: Ein Tag ohne wäre ein Wunder.

FREUND: (Vorsichtig.) Über die Scheidung hast du nicht gesprochen?

MANN: Bisher nicht. (Holt eine Krawatte.)

FREUND: (Im Überzeugungston.) Das lohnt auch nicht.

MANN: (Aufgebracht.) Und wenn ich wenigstens etwas Freiheit kosten will?

FREUND: Lass uns lieber Cognac kosten.

MANN: Ich will nicht.

FREUND: Ein bisschen.

MANN: Du weißt doch, ich mag ihn nicht.

FREUND: Zwei Tröpfchen.

MANN: Nein. Mir ist nicht danach. Und wenn du dich auf den Kopf stellst. (Zieht die Krawatte fest.)

FREUND: Du wirst es nirgendwo hin schaffen. Einfach aus einer Zelle in die andere. Alle träumen davon, an die Freiheit zu kommen, und dann gehen sie zu einer anderen Frau.

MANN: Deiner Meinung nach gibt es keine Varianten?

FREUND: Oh weh! Man kann den einen oder anderen Partner loswerden, aber eine Ehe – nie. Und das ganze Problem liegt nicht am Partner, sondern an der Ehe an sich.

MANN: Glaubst du?

FREUND: Ich weiß es genau. Ein Wissenschaftler hat mit Hilfe der Thermodynamik bewiesen, dass der normale Ausgang einer Ehe Konflikt und Scheidung ist. Hier, du quälst dich und machst dir Sorgen, denkst, dass ausgerechnet du Pech hast, aber tatsächlich ist das gesetzmäßig. Da ist nichts zu machen.

MANN: Welche Beziehung hat meine Frau zur Thermodynamik?

FREUND: Stell dir vor, auf dem Tisch steht eine Teekanne. Kann sie sich selbst erwärmen?

MANN: Natürlich nicht.

FREUND: Genau, also die Ehe ist diese Teekanne. Sie kann nur abkühlen. Ein Naturgesetz. Eine Frau

ge der Zeit. Jener Wissenschaftler hat auch Zahlen angeführt: Die Hälfte der Ehen endet in Scheidung. Und aus der übrigen Hälfte ist nur ein Drittel glücklich. Vorerst.

MANN: Nicht möglich!

FREUND: Statistik. Und du dachtest, dass nur du so ein Märtyrer bist?

MANN: Warum heiraten denn dann die Leute?

FREUND: Jeder hält sich für die Ausnahme. (Nach einigem Schweigen.) Gibt es denn keine Musik?

MANN: Ich leg´ gleich ´was auf. (Wählt eine CD aus und schaltet das Musikzentrum ein. Musik erklingt.) Weißt du, unabhängig von deinem Wissenschaftler, kamen mir die gleichen Gedanken in den Kopf. Es kommt vor, dass ich auf der Straße eine Frau sehe, jung, sonnig, hübsch, ich schau´ sie an, schmelze natürlich vor Entzücken dahin, aber denke mir dabei: Hat sie denn wirklich auch irgendeiner satt?

FREUND: Naturgesetz. Frage der Zeit.

MANN: Wie viele Leute quälen sich, wahrscheinlich genauso unbemerkt zuhause? Millionen… Und dabei ist das doch so wichtig – das Glück unter jedem Dach!

FREUND: Das sind wohl nicht wenige, aber ich hab´ das schon lange kapiert.

MANN: Hast du keine Angst gehabt, dich zu scheiden?

FREUND: Natürlich, schrecklich.

MANN: Wie hast du dich denn dazu entschieden?

FREUND: Meine Frau hat mich dermaßen  auf die Palme gebracht…

MANN: War sie denn schlechter, als meine?

FREUND: Ich hab´ auch verglichen. Solche, wie deine, muss man suchen. Bei euch herrscht einfach das, was man Unvereinbarkeit nennt.

MANN: „Unvereinbarkeit“… Schwachsinn. Hier, Tölpler, der kennt nicht mal so ein Wort. Und warum? Weil seine Frau eine Königin ist. Seinetwegen hat sie Motorradfahren gelernt.

FREUND: Und in was ist deine schlecht?

MANN: Möglich, dass sie auch nicht schlecht ist. Jedenfalls, solange ich sie nicht geheiratet habe, hat sie mir sogar gefallen. Gut möglich, dass sie auch jetzt irgendjemandem gefällt.

FREUND: Eine Ehefrau ist wie der Mond. Sie ist dir immer mit einer Seite zugewandt. Von der anderen Seite gesehen, kann sie vielleicht auch anziehend sein, aber du siehst sie nicht.

MANN: Stimmt.

FREUND: Wenn sich die kleinste Kleinigkeit zehntausend Mal wiederholt, wird sie unerträglich.  Ich selbst hab´ seinerzeit auf eine bunte Bluse angebissen – die geht mir bis heute nicht aus dem Kopf.

MANN: Ihr Charakter war doch wenigstens nicht schlecht?

FREUND: Um Gottes Willen…

MANN: Und das Temperament?

FREUND: Wie bei einem eingefrorenen Fisch.

MANN: Warum hast du sie denn dann geheiratet? 

FREUND: Warum heiratet man denn – aus Dummheit.

MANN: Nicht alle aus Dummheit. Einige (Stöhnt.) aus Notwendigkeit.

FREUND: Das ist auch Dummheit. Und überhaupt hab´ nicht ich sie geheiratet, sondern sie mich.

MANN: Die Initiative, im Allgemeinen, ergreifen doch die Männer.

FREUND: Wenn man eine für einen, zwei Abende braucht, dann sind die Männer natürlich unternehmungslustiger, aber fürs ganze Leben – zweifelsohne die Frauen.

MANN: Schade, dass du deine Frau in einer anderen Stadt aufgegabelt hast. Dadurch hab´ ich sie auch nicht kennengelernt.

FREUND: Du hast nichts verpasst.

MANN: Das heißt, seit jener Zeit bist du Ehefrauenhasser.

FREUND: Ehefrauen mag ich nicht, aber gegen Frauen hab´ ich überhaupt nichts.

MANN: Hast du dich denn seither nicht in irgendeine einsame Schönheit verknallt?

FREUND: Warum ausgerechnet einsam?

MANN: Ist das denn nicht klar? Immer frei, für immer dein, keine Komplexe…

FREUND: Einsame, Bruder, wollen heiraten. Dann hast du dein „für immer dein“.

MANN: (Trübsinnig.) Stimmt. Diese Freien lieben es wirklich, Vorwürfe zu machen und sich zu beklagen.  Warum gehst du mit ihr nicht ins Theater, zu Gast… Und was brauchst du ausgerechnet von ihr als Einziges…

FREUND: (Aufgreifend.) …Und dass sie nichts Gestohlenes braucht, und Angebissenes satt hat… Und was sie will, wie alle…

MANN: Stimmt alles, aufs Wort. Das hab´ ICH dir doch gesagt, nicht wahr?

FREUND: Wirklich?

MANN: (Verlegen.) Nun… Überhaupt.

FREUND: Moment – Moment. Du triffst dich doch mit irgendjemandem?

MANN: Mit niemandem, wie kommst du denn darauf?

FREUND: Schon lange?

MANN: (Verlegen.) Nicht sehr.

FREUND: Also, deswegen hast du es mit der Scheidung eilig… Du sagst, sie sei unverheiratet?

MANN: Im Prinzip, ja. Ich meine, nein.

FREUND: Und du bist in sie natürlich über beide Ohren?..

MANN: Über beide Ohren – nicht, aber in gewisser Weise… Und, überhaupt, teilweise sogar ziemlich stark.

FREUND: Und du hast natürlich vor, sie zu heiraten?

MANN: Ich bin doch nicht verrückt. (Schuldbewusst.) Aber, trotzdem, hab´ ich es vor.

 FREUND: So ein Narr! Hast du von einem Rummelplatz nicht genug?

MANN: Aber du kennst sie doch gar nicht! Wenn du willst, mach´ ich euch bekannt.

FREUND: Wozu? Meinen Segen geb´ ich nicht, keine Chance.

MANN: Trotzdem, du wirst sie jetzt sehen.

FREUND: Wo?

MANN: Hier.

FREUND: Hier? Aber deine Frau hat doch gesagt, dass sie niemanden erwartet, außer einer Freundin.

MANN: Sie ist ja auch ihre Freundin.

FREUND: (Verblüfft.) Verstehe.

MANN: Ja, Bruder, so ist die Lage… Sie ist vor kurzem in unsere Stadt umgezogen. Arbeitet mit meiner Frau zusammen.

FREUND: Verstehe.

(Eine junge Frau tritt ein.)

MANN: (Freudig.) Hier ist sie! (Er nimmt sie freudig an der Hand und führt sie zu seinem Freund. Der erhebt sich langsam. Schweigend sehen sie sich lange an.) Das ist mein Freund.

FREUNDIN: (Unterbricht ihn.) Sie brauchen nicht weiterzureden. (Reicht dem Freund die Hand.) Sehr erfreut. Ich habe so viel Gutes von Ihnen gehört…

FREUND: (Gibt ihr gezwungenermaßen die Hand.) Sehr angenehm.

FREUNDIN: Ich habe Sie mir irgendwie anders vorgestellt.

FREUND: Sind Sie enttäuscht?

FREUNDIN: Angenehm überrascht.

MANN: Ich geh´ zu meiner Frau und sag´, dass alle da sind.

(Der Mann geht aus der Küche und teilt der Frau die Ankunft der Freundin mit. Die Frau bringt sich schnell in Ordnung. Im Esszimmer herrscht ein langes Schweigen.)

FREUND: (Feindseelig.) Wie kommst du hierher?

FREUNDIN: Umgezogen.

FREUND: Ich frage, wie du in dieses Haus kommst?

FREUNDIN: Darf ich denn nicht?

FREUND: Lass den Jungen in Ruhe. Er hat ein besseres Schicksal verdient.

FREUNDIN: Sein Schicksal geht dich nichts an.

FREUND: Macht nichts, ich öffne ihm die Augen.

FREUNDIN: Ich auch.

FREUND: Auf was spielst du an?

FREUNDIN: Seine Frau hat mir etwas anvertraut. Ich wusste nur nicht, dass du das bist. (Zynisch.) „Freund der Familie“…

FREUND: Du bist auch noch Erpresserin. (Pause.) Also, wir treffen uns zum ersten Mal. Du weißt nichts, ich weiß nichts. Abgemacht?

(Frau und Mann kommen ins Esszimmer.)

FRAU: (Küsst die Freundin.) Na, endlich! Wir haben uns schon Gedanken gemacht.

FREUNDIN: Was für ein wunderbares Kleid du anhast… Eine echte Braut.

FRAU: Nichts Besonderes. Ich bitte gleich zu Tisch.

FREUND: Ja, höchste Zeit, zu trinken. (Setzt sich an den Tisch.)

MANN: Und zu essen. (Setzt sich gewandt an den Tisch.)

FREUNDIN: Zeig doch wenigstens zuerst die Wohnung. Ich war doch noch nicht bei euch.

FRAU: Was gibt es hier schon zu sehen… Wir sind doch erst seit Kurzem hier, haben uns noch nicht eingerichtet.

FREUNDIN: Umso interessanter. Habt ihr dieses Regal gekauft, oder anfertigen lassen?

FRAU: Mein Mann hat es selbst projiziert.

MANN: Was heißt hier Projekt… Geradezu ein Musterstück.

FREUNDIN: Ausgezeichnetes Regal. Dein Man hat alles gut geplant.

FRAU: (Herablassend.) Er ist so praktisch.

FREUNDIN: Zeig mir das Schlafzimmer.

MANN: Das muss nicht sein. Was gibt es da schon zu sehen?

FRAU: Nein, warum denn? Zeig alles. Beginnen wir mit dem Kinderzimmer. Vorsichtig, stoß dich nicht an dem Kaktus! (Führt die Freundin hinaus.)

MANN: Nun, was hältst du von ihr? (Der Freund macht eine ungewisse Geste.) Ist sie nicht nett?

FREUND: Oho.

MANN: Ich hab´s gewusst, dass ihr euch anfreundet. Sie kann einfach nicht nicht gefallen, nicht wahr?

FREUND: Oho.

MANN: Ein wunderbarer Charakter. Und zu allem noch eine Schönheit. Meine Frau  kann ihr das Wasser nicht reichen, nicht wahr?

FREUND: Oho.

MANN: Und im Vergleich zu meiner Frau, immer lustig, lebensfroh. Und dabei muss sie so etwas durchmachen…

FREUND: Und was musste sie denn durchmachen?

MANN: Eine Ehe.

FREUND: Nun, dieses Übel passiert vielen Frauen.

MANN: Aber nicht alle Frauen bekommen so einen Mann ab, wie sie.

FREUND: (Greift zur Flasche.) Entschuldige, aber ich nehm´ trotzdem ein Gläschen.

MANN: Nur zu, jetzt darf man.

FREUND: (Gießt sein Glas ein.) Also, was für einen Mann hat sie denn gehabt?

MANN: Einen Dreckskerl, einen vollkommenen Idioten, Egoisten… Dazu noch ein unheilbarer Alkoholiker.

FREUND: (Wollte gerade das Glas zum Mund führen, stellt es auf den Tisch zurück.) Man könnte meinen, du hast ihn gesehen.

MANN: Nein. Gott sei Dank nicht. Aber ich stell mir diesen Dreckskerl so klar vor, dass ich ihn auf der Straße sofort erkennen würde.

FREUND: Aber vielleicht hat er aus Kummer, aus Sehnsucht getrunken.

MANN: Das sagen alle Säufer. Weshalb hast du das Glas abgestellt?

(Frau und Freundin kommen aus dem Kinderzimmer zurück.)

FRAU: Jetzt gehen wir ins Schlafzimmer. Vorsicht, Kaktus!

(Sie gehen ins Schlafzimmer und setzen dort ihr Gespräch fort.)

FREUNDIN: (Sieht sich trübselig im Zimmer um.) Sehr bequem. Das Bett - geradezu luxuriös.

FRAU: Das hat mein Mann gemacht, aus zwei alten Matratzen.

FREUNDIN: (Öffnet den riesigen Schrank.) Habt ihr den Schrank fertig gekauft?

FRAU: Nein, mein Mann hat ihn gezeichnet und passend zu den Raummaßen bestellt.

FREUNDIN: (Stöhnt.) So einen  wollte ich auch.

FRAU: Gehen wir, schau dir die Küche an. (Sie gehen in die Küche.) Gefällt sie dir?

FREUNDIN: (Neidisch.) Glänzend.

FRAU: Mein Mann hat hier eine Menge Vorrichtungen gemacht… Ablagebretter, Haken…

FREUNDIN: Er ist ein Meister auf allen Gebieten, und du bist unzufrieden.

FRAU: Sägen und bohren kann er… Aber liegt darin etwa das Glück?

FREUNDIN: Ist in eurer Beziehung alles unverändert?

FRAU: Nur zum Schlechteren hin.

FREUNDIN: Unternimmst du irgendetwas in Richtung Scheidung?

FRAU: Etwas.

FREUNDIN: Und er?

FRAU: (Verbittert.) Er windet sich. Macht viele Bewegungen, die nichts bringen. Der Einzige, der etwas von seinen Konvulsionen hat, ist er selbst.

FREUNDIN: Wie denn?

FRAU: Das Bewusstsein, dass er etwas tut. Er erlaubt es sich nicht, auf der Stelle zu stehen.

FREUNDIN: (Mit einem Blick auf den Herd.) Riecht gut.

FRAU: Ich backe etwas. Ach, entschuldige, ich muss doch noch den Salat machen. (Zieht eine Schürze an.)

FREUNDIN: Soll ich dir helfen?

FRAU: Wenn´s keine Umstände macht, schneid das Gemüse.

FREUNDIN: Du hast´s gut, er trinkt wenigstens nicht.

FRAU: Selbst wenn er wollte - es gibt nichts womit. Das Gehalt ist doch so klein, dass du es unterm Mikroskop nicht findest. Und Ehrgeiz nicht für einen Groschen.

FREUNDIN: Ehrgeiz verdirbt die Leute nur.

FRAU: Sag das nicht. Ein Mann muss wissen, wie Karriere gemacht wird. Aber meinen schicken sie in Pension mit dem, was er zu Beginn bekommen hat.

FREUNDIN: Vielleicht braucht er auch nicht mehr.

FRAU: Also, er braucht bestimmt nicht mehr, er führt doch nicht den Haushalt. Aber er hat doch eine Familie. Ich strample wie ein Fisch im Eis, aber ihm ist das egal. 

FREUNDIN: Nicht im Geld liegt das Glück.

FRAU: Ja, natürlich. Wenn man welches hat. Und wenn nicht? Du weißt doch, ich bin Geld gegenüber gleichgültig, aber letzten Endes gibt es doch auch eine Grenze. Ich lauf´ auch so barfuß und halbnackt herum, näh´ mir ein neues Kleid aus den alten, und mach´ einen Rock aus Omas Stoff. Und dann noch seine Verwandtschaft. Keine Wohnung, sondern eine Herberge.

FREUNDIN: Ich hör´ alles und kann nicht begreifen, womit er dich so aufregt?

FRAU: Damit, dass er mir ein Fremder ist. Ist das denn unverständlich? Er ist doch stumm und blind. Schaut mich aus nächster Nähe an - und sieht nichts. Hört - hört aber nichts. Sitzt irgendwie DIREKT daneben und ist DOCH unendlich weit weg. Sagt mir etwas, ist aber selbst stumm, denn alle unsere Gespräche sind leer.

FREUNDIN: Wie ist es denn dazu gekommen?

FRAU: Versteh´ ich selbst nicht. Wir waren doch mal ganz jung, trieben uns herum, glücklich, Nächte durchgemacht und wussten ganz genau, waren einfach vollkommen überzeugt, dass bei uns alles nicht so wird, wie bei andern, alles wird reiner, schöner, und die Hauptsache – für immer. Und alles endete damit, dass wir leben, wie alle, sogar schlechter, als alle. Man könnte heulen. Das Leben geht doch weiter, und ich hab´ schon gar nichts mehr – keine Liebe, keine Hoffnung. Entweder waren unsere Gefühle nicht echt, oder wir konnten sie nicht bewahren  – jetzt hat das schon keine Bedeutung mehr… Okay, genug mit der Heulerei, Zeit, sich an den Tisch zu setzen, sonst werden die Männer sehnsüchtig… (Wischt die verheulten Augen ab und tuscht die Wimpern. Die Freundin nimmt die Salatschüssel und geht ins Esszimmer.)

FREUNDIN: (An die Männer.) Stör´ ich nicht?

MANN: Keineswegs. Wir reden gerade von dir. Du hast ihm sehr gefallen. (An den Freund.) Stimmt´s?

FREUND: Oho.

FREUNDIN: (Lächelt strahlend.) Ich bin sehr froh. (An den Freund.) Sie haben mir auch sehr gefallen

FREUND: Danke. (Pause.) Ich geh´ rauchen. (Geht hinaus.)

MANN: Ein großartiger Junge, stimmt´s?

FREUNDIN: (Trocken.) Wahrscheinlich. Ich muss mit dir reden.

 

 

Pause  

 

Zweiter Akt

 

(Die Handlung setzt sich unmittelbar fort. Mann und Freundin stehen sich gegenüber.)

FREUNDIN: Ich muss mit dir reden.

MANN: Jede Minute kann jemand hereinkommen.

FREUNDIN: Ich muss dir lediglich eine Frage stellen.

MANN: (Vom Thema ablenkend.) Worüber hast du dich mit meiner Frau unterhalten?

FREUNDIN: Über nichts. Sie hat mir euer Nest gezeigt. Jetzt weiß ich wenigstens, wie du wohnst. Sehr bequem, keine Frage.

MANN: (Unsicher.) Ich freue mich sehr.

FREUNDIN: Ich auch. Besonders hat mir gefallen, wie sich in eurem Schlafzimmer  das von dir gemachte Federbettchen macht, und darauf, nebeneinander, die zwei Kisschen.

MANN: (Verlegen.) Du bist zu Unrecht eifersüchtig. Ich hab´ doch hundertmal erklärt, dass ich nicht mit ihr lebe.

FREUNDIN: Ihr schlaft nur.

MANN: Ja, was denn, soll ich auf dem Boden schlafen? (Die Freundin schweigt.) Ich bin bereit, dir tausend Ehrenworte zu geben…

FREUNDIN: Die kannst du behalten. Mir sagst du, dass du von ihr weg willst, und selbst hast du die Wohnung mit Regalbrettern und Haken vollgehängt.

MANN: Das fertige ich aus Wehmut an, verstehst du denn nicht? Ich fülle die Leere in den Beziehungen aus.

FREUNDIN: Verlieren wir keine Zeit. Sag mir, mit was eure Auseinandersetzung geendet hat? (Der Mann schweigt.) Nun? Was hat sie gesagt?

MANN: (Mit gebrochener Stimme.) Wer?

FREUNDIN: (Ungeduldig.) Deine Frau.

MANN: Worüber?

FREUNDIN: Habt ihr denn die Sache noch nicht geklärt?

MANN: Verstehst du, irgendwie hat´s nicht geklappt. Ich musste dringend Cognac kaufen.

FREUNDIN: Mein Gott, was hat das mit Cognac zu tun?

MANN: Absolut gar nichts. Aber, verstehst du, ich konnte nicht. So ein Tag, verstehst du? Obwohl kein runder, aber doch ein Festtag.

FREUNDIN: (Aufbrausend.) Ja, was gehen mich denn eure Festtage an! (Fasst sich.) Entschuldige, aber ich bin fertig. Ich hab´ mich auch selbst gequält, und du tust mir Leid.

MANN: Ich werd´ mit ihr reden.

FREUNDIN: Wie letzte Woche?

MANN: Diesmal ganz sicher.

FREUNDIN: Du hast vor ihr Angst, den Mund aufzumachen.

MANN: Übrigens, sie hat gebeten, die Flaschen aufzumachen. (Sucht in einer Schublade nach einem Öffner.)

FREUNDIN: Machst du dich über mich lustig?

MANN: Weshalb denn?

FREUNDIN: Deshalb! Ich hab´ es satt, mich in Hinterhöfen zu treffen.

MANN: Glaubst du, ich hab´s leichter? Du lebst wenigstens alleine, aber ich muss dauernd irgendetwas vorspielen.

FREUNDIN: Hör bloß auf!

MANN: Ich hör´ auch auf. Noch heute sag ich´s ihr.

FREUNDIN: Heute?

MANN: Heute. Ehrenwort.

FREUNDIN: Merk dir, ich bin an der Grenze.

(Die Frau tritt mit einem dampfenden Gericht in den Händen ein.)

MANN: (In neutralem Ton.) Ich bin auch einverstanden. Schauspieler sollten immer an der Grenze ihrer Möglichkeiten arbeiten.

FREUNDIN: (Bissig.) Besonders gefallen mir in diesem Stück die männlichen Rollen nicht.

FRAU: Worüber sprecht ihr?

FREUNDIN: Über ein Stück von Krasnogorov, „Heute, oder nie“.

FRAU: Da hast du ja einen gefunden, um übers Theater zu sprechen. Von allen Arten der Kunst liebt er nur Fußball.

MANN: Fußball hat´s dir wohl angetan. Ich schau ihn gerade einmal im Jahr an. Bekommen wir irgendwann etwas zu essen?

FREUND: (Erscheint.) Und zu trinken?

FRAU: Alles fertig.

MANN: Zum verrückt werden, wie lange das dauert.

FRAU: (Würdigt den Mann mit keiner Antwort.) Setzt euch zu Tisch, alles wird kalt.

(Alle setzen sich, legen sich die Speisen auf die Teller.)

MANN: (An den Freund.) Dein Toast.

FREUND: Warum ausgerechnet meiner?

FREUNDIN: (Mit süßer Stimme) Sie sind doch, wie es scheint, ein alter Freund der Familie.

FREUND: (Erhebt sich mit dem Glas in der Hand.) Also, Freunde. Die Zeit flieht. Vor langem war ich bei euch auf der Hochzeit, und nun… Obwohl es kein rundes Jubiläum ist, aber, wie man sagt… In einem Wort, „Liebe und Gemeinsamkeit“, lebt so freund-schaftlich, wie bisher… Das heißt, seid allen ein Vorbild.

MANN und FRAU: Danke.

(Alle stoßen an, trinken aus, nehmen etwas zu essen.)

FREUNDIN: Erlaubt mir, auch etwas zu sagen. (An die Frau.) Ich will einzeln auf dich trinken.

MANN: Warum erhält sie so ein Privileg?

FREUNDIN: (Stehend mit dem Glas in der Hand.) Erstens, weil sie meine Freundin ist. Zweitens, weil die Frau das Zentrum der Familie ist. Das Familienleben zu organisieren, zu regulieren, wenn es dafür nötig ist, seine Interessen zu opfern – das ist Frauensache. Und wenn du das nicht kannst, was zu Teufel bist du dann für eine Frau?.. Vielleicht sag´ ich nicht das Passende… Jedenfalls, auf dich! (Küsst die Frau.)

FREUND: Ich schließe mich gerne an. Auf dieses wunderbare Paar! (Trinkt aus.)

FRAU: Danke. (An den Freund.) Ich würde mich nicht wundern, wenn du uns auffordern würdest, uns zu küssen.

FREUNDIN: Tatsächlich, wie konnten wir das nur vergessen? Küsst euch!

FREUND: Küsst euch!

FREUNDIN: Küsst euch!

(Mann und Frau tauschen einen kurzen Kuss aus. Freund und Freundin beobachten sie, dabei das Besteck sinken lassend.)

FREUND: Was denn, so kurz?

FRAU: Mehr später, wenn wir alleine sind. Esst, trinkt, warum habt ihr aufgehört?

(Das Geklapper von Messer und Gabeln schwillt wieder an.)

MANN: (Leise an den Freund.) Hör mal, vielleicht sollte ich leise aufstehen, unbemerkt aus dem Zimmer gehen und ans Ende der Welt verschwinden?

FREUND: Setz dich!

MANN: Hast du denn nie so eine Stimmung, dass du alles hinschmeißen willst und abhauen, soweit die Füße tragen

FREUND: Kommt vor. Alles kommt vor. Setzt dich, wohin willst du denn? (Gießt allen ein.) Lass uns lieber… Um die Anspannung zu nehmen. (Trinkt aus.)

FRAU: (An die Freundin.) Warum hast du einen leeren Teller? (An den Mann.) Was kümmerst du dich denn nicht um die Gäste?

MANN: Darf ich Ihnen Salat reichen? Oder vielleicht Hühnchen in Mayonnaise? Es scheint vorzüglich gelungen zu sein.

FRAU: (An den Mann.) Was hast du denn dauernd mit „Sie“ und „Ihnen“?

MANN: (Bescheiden.) Wir haben doch noch nicht auf Brüderschaft getrunken.

FRAU: Und wer stört euch dabei?

FREUNDIN: (Bescheiden.) Wir sind noch nicht so bekannt…

FRAU: Macht nichts.

MANN: (Gießt allen ein.) Also, auf Brüderschaft?

(Mann und Freundin trinken aus und küssen sich.)

FRAU: Höchste Zeit.

MANN: Ich hab´ eine Idee! (An den Freund.) Du trinkst auch mit ihr auf Brüderschaft. Wir sind hier alle untereinander, und ihr verhaltet euch irgendwie offiziell zueinander.

FRAU: Richtig. (An den Freund.) Trink! Ich will, dass ihr euch auch befreundet.

FREUND: Hm…

MANN: (Gießt allen ein.) Also, auf Brüderschaft!

(Freund und Freundin küssen sich.)

FRAU: Was seid ihr denn so hölzern?

FREUNDIN: Das scheint dir nur so. Wir sind normal.

(Alle essen und trinken schweigend weiter.)

MANN: Warum sind wir denn so schweigsam geworden?

FRAU: Worüber sollen wir reden?

MANN: Vielleicht tanzen wir? Sonst wird´s irgendwie langweilig.

FREUNDIN: Mir ist auch so nicht langweilig.

MANN: Man hätte mehr Leute einladen müssen. Ich hab´s doch gesagt.

FRAU: Ich erinner´ mich, am Hochzeitstag sind dir alle Gäste überflüssig vorgekommen

FREUND: Willst du, dass wir uns jetzt auch überflüssig vorkommen?

FRAU: Jetzt will ich gar nichts.

FREUND: Vielleicht sollten wir doch tanzen?

FRAU: (Zuckt mit den Schultern, an den Mann.) Leg etwas auf!

(Es erklingt ein langsamer Tango. Der Mann will die Freundin auffordern.)

FREUNDIN: Den ersten Tanz schenkt die Braut aus Tradition dem Bräutigam.

(Der Mann fordert die Frau auf. Freund und Freundin bleiben sitzen.)

FRAU: Und was ist mit euch?

FREUNDIN: Man fordert mich nicht auf.

FREUND: Ich bin noch nicht so weit.

MANN: (An den Freund.) Los, los, nur nicht zieren.

(Alle tanzen.)

FREUNDIN: Hör mal, das ist doch unser Tango! Erkennst du ihn?

FREUND: Ja. Ein bisschen komisch.

FREUNDIN: Du hast graue Haare bekommen.

FREUND: Und du änderst dich nicht.

FREUNDIN: Danke. Wie geht´s dir denn so?

FREUND: Um ehrlich zu sein, nicht besonders lustig. Und dir?

FREUNDIN: Scheint es dir nicht manchmal, dass wir eine Dummheit begangen haben?

FREUND: Sogar zwei. Die erste, dass wir geheiratet haben, die zweite, dass wir uns geschieden haben.

FREUNDIN: Interessant, was wäre, wenn wir wieder zusammengingen?

FREUND: Das wäre die dritte Dummheit.

(Die Musik verklingt.)

FRAU: (An den Mann.) Leg ´was Fröhlicheres auf, damit es nicht so langweilig ist.

(Schnellere Musik erklingt, mit einem abgehackten Rhythmus. Alle tanzen in verzweifelter Selbstvergessenheit.)

FREUNDIN: (Stolpert.) Huch!

MANN: Was ist passiert?

FREUNDIN: Absatz abgebrochen.

FRAU: Nicht so schlimm. (An den Mann.) Kannst du das richten?

MANN: (Dreht den Schuh in der Hand.) Ich versuch´s. (Geht, um Werkzeug zu holen.)

FRAU: Gehen wir. Du ziehst solange welche von mir an.

(Frau und Freundin gehen ins Schlafzimmer. Die Frau holt aus dem Schrank Schuhe, die Freundin probiert sie an. Der Freund trinkt inzwischen zwei Gläser nacheinander aus. Der Man kehrt mit Werkzeug zurück.)

MANN: (An den Freund.) Halt mal! (Der Freund hält den Schuh fest, während der Mann beginnt, den Absatz festzunageln.) Jetzt müsste ich trotzdem mit meiner Frau reden.

FREUND: Warum „müsste“?

MANN: Ich habe das Wort gegeben.

FREUND: Wem?

MANN: (Schaut sich zum Schlafzimmer um.) Mir selbst.

FREUND: Hast du trotz allem beschlossen, dich von ihr zu trennen?

(Im Schlafzimmer.)

FREUNDIN: Und warum solltet ihr euch nicht trennen?

FRAU: Glaubst du, ich hab´ nicht darüber nachgedacht?

FREUNDIN: Ich glaube, dass du darüber nachdenkst.

FRAU: Ich sag´ dir noch mehr – ich denk´ NUR daran.

FREUNDIN: Aber vielleicht solltest du aufhören, darüber nachzudenken und endlich den entscheidenden Schritt unternehmen?

FRAU: Und einsam bleiben?

FREUNDIN: Du sagst doch selbst, dass du ihn nicht brauchst.

FRAU: Irgendwie brauche ich ihn nicht… (Gibt ihr andere Schuhe.) Hier, probier die an!

FREUNDIN: Danke.

FRAU: Verstehst du, in den Augen der Leute - eine Frau ohne Mann - das ist…

FREUNDIN: Blödsinn.

FRAU: Einverstanden. Aber du kannst mich überreden, wie du willst, eine alleinstehende Frau hat immer einen Minderwertigkeitskomplex.

FREUNDIN: Nicht mal meine Großmutter hat so eine vorsintflutliche Meinung.

FRAU: Wenn ich Großmutter werde, dann werde ich vielleicht auch zeitgemäßer. Aber in unserem Alter, gib zu, ist es realistischer, verheiratet zu sein. (Nickt in Richtung der Schuhe.) Drücken die etwa?

FREUNDIN: (Vor dem Spiegel.) Ein bisschen.

FRAU: Vielleicht ziehst du die an, die ich anhab´.

FREUNDIN: Na, gut.

FRAU: Ehrlich gesagt, er tut mir auch etwas leid. Vollkommen ungeeignet. Was soll denn aus ihm werden?

FREUNDIN: Keine Angst, ohne dein Gebäck verkümmert er nicht.

FRAU: Ich denk´ die ganze Zeit, ob es nicht Zeit ist für den Tee?

FREUNDIN: Lass nur. Und wegen meiner Unvollkommenheit sag´ ich dir Folgendes: Eine vollkommene Frau ist eine freie Frau, und nicht eine, die sich, um in den Augen der Leute auszusehen, als kostenlose Köchin anbietet. (Deutet mit dem Finger in Richtung Esszimmer und Küche.)

FRAU: Bist du denn grundsätzlich gegen die Ehe?

FREUNDIN: Kommt darauf an, was für eine. Kann sein, Ehe ist ein Überbleibsel.

FRAU: Als Ersatz hat man bisher nichts Besseres ausgedacht.

(Im Esszimmer macht sich der Mann mit dem Hammer zu schaffen.)

FREUND: Das geht dir leicht von der Hand.

MANN: Aschäsche ka i leuch epaien, unä döm aschasch ka i ich hevoküchen.

FREUND: Was brummst du da?

MANN: U schisch och…

FREUND: Was?

MANN: (Spuckt die Nägel aus, die er mit den Lippen festgeklemmt hatte.) Du siehst doch, dass ich den Mund voller Nägel hab´ und stellst mir Fragen.

FREUND: Und was hast du da gebrummt?

MANN: Dass ich Absätze leicht reparieren kann, aber nicht unter dem Absatz hervor-kriechen kann. Du hast´s da gut, du bist frei.

FREUND: Na, und? Denkst du, das ist ein Honigschlecken?

MANN: Besser, als bei mir.

FREUND: Einige Vorteile gibt´s, natürlich…

MANN: Und ob! Mach, was du willst! Geh wohin du willst! Keinem schuldest du Rechenschaft, von der Stimmung anderer hängst du nicht ab, niemand hängt dir am Hals und geht dir auf die Nerven.

FREUND: Du erkennst einfach nicht die Bequemlichkeiten des Familienlebens. Sich alleine zu ersäufen ist langweilig. Wie lange hab´ ich schon nicht mehr wie ein Mensch gegessen. Nicht so, wie bei dir: Hier, der ganze Tisch ist vollgestellt.

MANN: Wegen Fischsuppe heiraten die Leute doch nicht.

FREUND: An Schönheit sieht man sich satt, aber an Fischsuppe isst man sich nicht satt. Was ist denn schon das Junggesellenleben? Kneipe. Selten, natürlich, auch angenehm, aber immer irgendwie nicht so toll. Man braucht einen Anker, eine Anlegestelle, einen Hafen, etwa nicht?

MANN: Hör auf mich, überstürz die Hochzeit nicht. Halt dich zurück!

FREUND: Ich halt mich zurück. Aber irgendwann muss man sich doch entscheiden. Man baut doch sein Nest nicht mit sechzig.

MANN: Nun, bis sechzig hast du es noch weit.

FREUND: Aber achtzehn liegt schon weit zurück. Glaubt mir, dass es schrecklich ist, abends in die leere Wohnung zu kommen.

MANN: Dann heirate!

FREUND: Sich mit einer Frau zu verbinden, die ein halbes Jahr lang denkt, besser als alle zu sein, und das restliche Leben, schlechter als alle?

MANN: Dann heirate nicht!

FREUND: Also austrocknen, so lange, bis du dich in einen alten Baumstumpf verwandelst?

MANN: Was willst du denn?

FREUND: (Gießt die Gläser voll.) Lass uns austrinken.

(Im Schlafzimmer.)

FRAU: Weiß irgendwer, dass ihr euch trefft?

FREUNDIN: Bisher nicht.

FRAU: Aber du zeigst ihn mir doch?

FREUNDIN: (Ausweichend.) Aber natürlich.

FRAU: Ist er interessant?

FREUNDIN: Du wirst es sehen.

FRAU: Wird er sich scheiden lassen?

FREUNDIN: Schwer zu sagen.

FRAU: Was sagt er?

FREUNDIN: Wie alle. Spekuliert auf die Frau und das Kind.

FRAU: Und diese Henne?

FREUNDIN: Welche Henne?

FRAU: Nun, die Ehefrau. Liebt sie ihn?

FREUNDIN: Natürlich nicht.

FRAU: (Zieht Schuhe an.) Solche kenn´ ich. Um jeden Preis den Mann festhalten, nur um verheiratet zu sein. (Besieht sich mit Vergnügen im Spiegel.) Sie anzusehen ist widerlich.

FREUNDIN: (Steht ebenfalls vor dem Spiegel.) Die Schuhe sind ausgezeichnet, aber mir stehen sie irgendwie nicht.

FRAU: Du musst in ihnen gehen, gewöhn dich daran.

FREUNDIN: Ob das Kleid nicht passt? Er ist im Grunde ein guter Junge, aber sie hat ihn so fertig gemacht…

FRAU: Und als was stellt sich diese Zicke dar?

FREUNDIN: Welche Zicke? Die Ehefrau?

FRAU: Nun, ja. Ist sie eine unangenehme Person?

FREUNDIN: Es geht nicht darum, wer sie ist. Überhaupt, ich kann Ehefrauen überhaupt nicht leiden.

FRAU: Aber selbst willst du heiraten. Stimmt´s ?

FREUNDIN: Und wenn schon? Sie liebt ihn nicht, kümmert sich nicht um ihn, betrügt ihn – und trotzdem steht sie an erster Stelle, hat alle Rechte. Und obwohl er mir Seele und Körper gibt, und ihr schmutzige Wäsche und das Gehalt, trotzdem sitzt sie  auf dem Pferd, und ich – bin Läufer. (Sehr ernst.) Manchmal bin ich so schwermütig…

FRAU: Verstehe.

FREUNDIN: Nein, du verstehst nicht. Hier, stell dir vor, dass du ewig einsam bist. Daheim, draußen, zu Gast. Alle haben irgendjemanden, aber du bist alleine. Keinen Halt, keine Zukunft. Und keine Kinder. Schrecklicher kaum vorzustellen.

FRAU: Bedauerst du, dass du dich geschieden hast?

FREUNDIN: Wir haben uns gegenseitig so gequält, dass es keinen anderen Ausweg gegeben hat.

(Der Mann hat die Reparatur des Schuhs beendet, klopft an die Schlafzimmertür und tritt zu den Frauen ein.)

MANN: (Reicht der Freundin den Schuh.) Bis zuhause hält er, aber darin tanzen würde ich nicht.

FREUNDIN: Danke.

FRAU: Schon gut, geh!

MANN: Was heißt „geh“? Werden wir den ganzen Abend so alleine dasitzen?

FRAU: Geh, geh, wir haben unsere eigenen Angelegenheiten. (Der Man kehrt ungern ins Esszimmer zurück.) Du hast Recht: Das Kleid passt nicht zu diesen Schuhen. Lass mich dazu etwas anderes aussuchen. (Holt aus dem Schrank einen Arm voll Kleider. Die Anprobe beginnt.)

(Im Esszimmer.)

MANN: Wenn es dir so schlecht geht, warum triffst du dich dann nicht mit irgend-jemandem?

FREUND: Wer hat den gesagt, dass ich mich nicht treffe?

MANN: Was hast du denn dann die ganze Zeit geschwiegen?

FREUND: Über einige Dinge plaudert man nicht.

MANN: Eine Verheiratete, stimmt´s?

FREUND: Das ist es gerade.

MANN: Aber mir hättest du dich doch anvertrauen können!

FREUND: Dir? Na, ja.

MANN: Sympathisch?

FREUND: Nicht schlecht.

MANN: Und Temperament?

FREUND: Normal.

MANN: (Neidisch.) Glückspilz. Ahnt der Mann nichts?

FREUND: Eigentlich nicht.

MANN: Das muss ein richtiger Trottel sein (Lacht.)

FREUND: Er ist ein guter Kerl. Mich quält sogar manchmal das Gewissen.

MANN: Da hast du ja was gefunden, weshalb du  leiden kannst. Vielleicht  liebt er sie auch nicht.

FREUND: Auf die Ehemänner ist man eifersüchtig, sogar wenn sie nicht lieben.

MANN: Welchen Sinn macht das?

FREUND: Hier, du, zum Beispiel, wärst du eifersüchtig, wenn du erfahren würdest, dass dich deine Frau betrügt?

MANN: Bring mich nicht zum Lachen. Die ist doch kalt, wie ein Schneemann. 

FREUND: Aber gehen wir trotzdem davon aus…

MANN: Da gibt es nichts, von dem ich ausgehen sollte. Sie braucht überhaupt keinen Mann, du kannst mir glauben. Sag mir lieber…

FREUND: (Bemüht sich, auszuweichen.) Was machen unsere Frauen dort?

MANN: Ich glaube, sie probieren Klamotten an.

FREUND: He, Mädchen! Kommt ihr bald?

FRAU: (Aus dem Schlafzimmer.) Gleich!

FREUND: (An den Mann.) Lass uns doch solange austrinken.

(Im Schlafzimmer, vor dem Spiegel, hält die Freundin das nächste Kleid der Frau vor sich.)

FREUNDIN: Ein sehr hübsches Kleid. Und du sagst, du hättest nichts anzuziehen. Das heißt, du hast auch weiterhin vor, dich abzurackern?

FRAU: Schwer, von jemandem ins Nichts wegzugehen.

FREUNDIN: Aber du hast doch, zu wem. Ich bin die Blöde, die sich mit einem Verheirateten eingelassen hat.

FRAU: Du begreifst dein Glück nur nicht. Er wird dir ewig die Treue halten.

FREUNDIN: Und seine Frau?

FRAU: Die zählt nicht. Das ist nur eine Art von Dienstleistung.

FREUNDIN: An meiner Stelle würdest du anders reden. Es gibt nichts Bedauernswerteres, als einen fremden Mann. Ewig ist er irgendwie deprimiert, kühl und unglücklich. Sogar im Bett schaut er nur auf die Uhr. Und dabei beeilt er sich so, als ob er einen Auftrag des Vorgesetzten vorzeitig ausführen wollte.

FRAU: Irgendwie verstehe ich ihn.

FREUNDIN: Ich trau´ es mir nicht, aus dem Untergrund aufzutauchen. Für seine Freunde und Verwandten existiere ich überhaupt nicht.

FRAU: Wozu brauchst du seine Verwandten?

FREUNDIN: Zu nichts, aber es ist trotzdem kränkend. Du machst ihm ein Geschenk, und er hat Angst, es mit nachhause zu nehmen. Behalt es vorerst bei dir, sagt er, ich nehm´ es später mit. Und so hab´ ich eine ganze Kollektion zusammengesammelt.

FRAU: Und er schenkt dir irgendetwas?

FREUNDIN: Vielleicht würde er das gerne, aber er muss vor der Frau Rechenschaft ablegen, wohin das Geld fließt. Er hat mir neulich ein Unterkleid gekauft. Das war alles.

(Im Esszimmer nippen Mann und Freund an den Weingläsern.)

MANN: Am meisten mögen sie es, die Verhältnisse zu klären.

FREUND: Das stimmt. Alle Verhältnisse laufen auf ihre Klärung hinaus.

MANN: Und sie mögen es auch zu stöhnen, angesichts der Unvermeidbarkeit des Endes und dass es trotzdem keine Zukunft gibt. Jedes Treffen verwandeln sie in eine Tragödie.

FREUND: Das können sie.

(Im Schlafzimmer.)

FREUNDIN: Unentschlossenheit ist das Hauptmerkmal der Männer. Sie warten darauf, dass sich alles von selbst regelt. Die Frau löst sich in Luft auf, die Kinder werden erwachsen, die Schwierigkeiten verschwinden. Und in Erwartung dieses Himmelsreichs trau dich nicht zu stolpern, damit es bloß schneller kommt.

FRAU: Und du machst ihm einen Vorwurf daraus?

FREUNDIN: Das kommt vor. Ich weiß, dass ich nicht darf, aber ich kann mich nicht zurückhalten.

FRAU: Zu Unrecht. Jedenfalls solltest du ihn nur loben. Hörst du, nur loben! Und wiederholen, dass du ihn verstehst. Ausgerechnet DU verstehst ausgerechnet IHN. Und die Hauptsache, beschimpf nie diese Kuh.

FREUNDIN: Seine Frau?

FRAU: Ja.

FREUNDIN: Du meinst, ich soll ihn loben?

FRAU: Red ihm ein, dass bei euch alles anders wird, als mir ihr.

(Im Esszimmer.)

FREUND: Du hast dich noch nicht mal richtig mit ihr bekannt gemacht, und schon drängt sie sich auf, deine Wäsche zu waschen. Ein unsicherer Schritt, und du steckst in der Falle. Nochmal eins, oder nicht?

MANN: Mir reicht´s, ich bin auch so schon angeheitert, weil ich´s nicht gewöhnt bin.

FREUND: Nun – aber ich gieß´ mir ein.

MANN: Hier, übrigens… Zum Thema Falle…

FREUND: Nun.

MANN: Wie gefällt dir die Freundin?

FREUND: Meiner Meinung nach gibt es kein Ideal.

MANN: Dann sag´ ich´s dir – sie ist ein Ideal. Fast ein Ideal. Sie hat nur einen Fehler.

FREUND: Aha, also trotzdem.

MANN: Einen sehr kleinen. Sie will, dass ich sie sofort nach der Scheidung heirate.

FREUND: Und du?

MANN: Ich bin bereit, mich für sie zu erschießen, durchs Feuer zu gehen, sogar in die Philharmonie… Aber ihr ist das Wichtigste, zu heiraten. Heute habe ich die entscheidende Frage gestellt.

FREUND: Und du?

MANN: Ich bin im Prinzip nicht dagegen. Aber nicht gleich. Man darf nicht gleich.

FREUND: Richtig.

MANN: Eine Pause muss sein, so ein winzig kleiner Urlaub. Ich muss zu mir kommen. Siehst du, in was ich mich verwandelt hab´?

FREUND: Als ob man das nicht sehen würde.

MANN: Und was für einer war ich, erinnerst du dich? Lieder gesungen, hab´ besser als alle anderen an der Uni getanzt. (Setzt zu einem Lied an und macht ein paar Tanzschritte, aber dann, mit einer abwertenden Handbewegung, setzt er sich wieder.) Das Problem ist, dass ich sehr verheiratet bin. Wenn ich wenigstens ein bisschen weniger verheiratet wäre... Aber ich bin jeden Tag verheiratet, verstehst du? Hier, Tölpler, zum Beispiel, der ist irgendwie nicht sehr verheiratet. Seine Frau gibt ihm einen freien Tag. Jeden Montag ist sein Tag. Mach, was du willst. Keine Verhöre. Einst hat man ihr gesteckt, dass man ihren Mann mit irgendeiner Katze gesehen hat. Und sie: Wenn´s an einem Montag war, dann geht mich das nichts an. Hier, solche Frauen gibt es.

(Im Schlafzimmer.)

FREUNDIN: Weißt du, am besten gefällt mir das Kleid, das du anhast.

FRAU: Und mir deins.

FREUNDIN: Sollen wir tauschen?

FRAU: Einverstanden.

(Die Frauen ziehen die Kleider aus.)

FREUNDIN: Schau mal, wir haben die gleichen Unterkleider!

FRAU: Tatsächlich… Wo hast du es gekauft?

FREUNDIN: Das hat mir… nun, er…  geschenkt. Ich hab´s dir doch erzählt.

FRAU: Und mir – mein Mann.

FREUNDIN: Ja?

FRAU: Wahrscheinlich haben sie sie in ein und demselben Geschäft gekauft. Witzig, nicht wahr?

FREUNDIN: Sehr. Willst du, dass ich es dir gebe? (Will das Unterkleid ausziehen.)

FRAU: Das brauchst du nicht. Wozu brauch´ ich zwei gleiche?

FREUNDIN: Man kann nie wissen.

FRAU: Das muss nicht sein. Ich kann die Farbe nicht ausstehen.

FREUNDIN: Ich auch. Und überhaupt, wer trägt jetzt Unterkleider?

(Die Frauen, immer noch in den Unterkleidern, beschauen sich im Spiegel.)

FRAU: Schau, wir sind einander ähnlich. Und dieselben Größen.

FREUNDIN: Tatsächlich.

FRAU: Wenn wir gleich angezogen sind, fällt das besonders auf. Wenn du noch die Frisur ein bisschen ändern würdest… (Richtet der Freundin die Frisur.) Siehst du? Wie von einer Mutter.

FREUNDIN: Das hätte ich nie gedacht.

(Die Frauen ziehen jeweils das Kleid der anderen an.)

FRAU: Es passt dir ausgezeichnet. So lassen wir´s, gut?

FREUNDIN: Gut. Für die Vielfalt.

FRAU: Gehen wir. Sonst werden die dort ohne uns sauer. Ehrlich gesagt, will ich nicht zu ihnen. Mit dir ist es so angenehm… Übrigens, wie findest du meinen Freund? Gefällt er dir?

FREUNDIN: Ich hab´ ihn noch nicht gemustert.

FRAU: Soll ich dir die Wahrheit sagen? Ich fühl´ mich nur mit ihm als Frau.

FREUNDIN: Bist du denn gern mit ihm zusammen?

FRAU: Natürlich. Nicht so, wie mit meinem Mann.

FREUNDIN: Moment mal… Hast du denn mit deinem Mann… Nun…

FRAU: (Ringt mit den Händen.) Ehemann. Eine Viertelstunde pro Woche gilt es auszuhalten. Andernfalls beginnen Beleidigungen, Verdächtigungen… Und Schwierig-keiten haben wir auch so jede Menge.

(Die Frauen gehen in die Küche. Die ordentlich angeheiterten Männer setzen derweilen ihr Seelengespräch im Esszimmer fort.)

MANN: Dauernd Frauen, Frauen… Wo sind sie, diese Frauen? Wenn ich dran denke, wie viele es auf der Welt gibt, so völlig verschiedene: Zärtliche, lebhafte, schüchterne, natürliche, kokette, schlanke, vollbusige, feurige, erfahrene, unschuldige, intellektuelle, unmittelbare… Und alle sind nicht für mich. Für mich gibt es nur eine Ehefrau, aber ist die eigene Ehefrau etwa Frau?

FREUND: Was denn sonst?

MANN: Eisblock, Schaufensterpuppe, Krokodil – was du willst, nur nicht Frau. Ich sag´ dir, von Mann zu Mann: Schlimmer als mit ihr, kann´s nicht sein. Grabesstille. Das ist achtens. Jetzt neuntens…

FREUND: Moment, Moment. Hast du denn mit ihr…

MANN: Wohin kannst du dich denn davor retten, Alter?

FREUND: Wer zwingt dich denn?

MANN: Und was soll ich tun? Beginn´ ich mich zu tarnen, riecht sie den Braten sofort, dass ich irgendjemanden habe. Und dann geht´s los. Und ich will sie nicht verlieren.

FREUND: Wen? Deine Frau?

MANN: Ach was… Die Freundin.

FREUND: (Verdutzt.) Klar. (Nimmt automatisch einen Knochen vom Teller und beginnt, ihn abzunagen.)

MANN: Gib her! (Nimmt dem verwunderten Freund den Knochen weg und wickelt ihn sorgsam in eine Serviette ein.)

FREUND: Wozu brauchst du den Knochen?

MANN: Ich hab´ eine Hündin im Hof.

FREUND: Du?

MANN: Vom Nachbarn. So eine prächtige Straßenmischung. Mit Augen. Ihr Herrchen lässt sie hungern, aber ich hab´ mich an sie gewöhnt, verstehst du? Ich streichle und kraule sie, sprech´ mit ihr…,

FREUND: Und sie?

MANN: Und sie mag mich auch. Aber trotzdem nicht so, wie das Herrchen. Es gibt keine Gerechtigkeit.

FREUND: Du hättest dir eine anschaffen können.

MANN: Man lässt mich nicht. Wie schade. Stell dir vor, ich komm´ heim, und sie rennt mir entgegen, mit so einer Freude… (Seufzt.)

FREUND: Und ich mag es, die Erde umzugraben. Ich wollte ein Gärtchen anschaffen, Blumen züchten. Nur, für wen?

(In der Küche.)

FREUNDIN: (Sieht zu, wie die Frau Gebäck auf ein großes Teller legt.) Ich wollte auch kochen… Nur, für wen?

FRAU: Vielleicht sollte ich gleich den Teekessel aufstellen?

MANN: (Im Esszimmer.) Das heißt, der Teekessel kühlt ab?

FREUND: Welcher Teekessel?

MANN: Ich meine die Gefühle. Zum Thema Thermodynamik.

FREUND: Ah… Kühlt ab.

MANN: Und wenn man den Teekessel auf den Herd stellt?

FREUND: Wenn man Energie einsetzt, dann, klare Sache, wird er sich erwärmen.

MANN: Das bedeutet, dass dein Wissenschaftler nicht Recht hat. Wenn man natürlich zwei zusammenpfercht, dann sind sie sich schnell zuwider. Aber das Leben kocht doch ringsum – vielleicht ist das der Herd? Und im gemeinsamen Leben verlieren wir doch nicht nur, sondern erhalten auch etwas?

FREUND: Wahrscheinlich.

MANN: Das heißt, eine Ehe muss überhaupt nicht grundsätzlich abkühlen. Die Beziehungen muss man immer weiter ausbauen. Dafür Energie einsetzen. Dann wird alles gut. Hier bitte, da hast du die ganze Thermodynamik.

FREUND: Worauf willst du hinaus?

MANN: Ich sag´ dir die Wahrheit. Ich bin müde geworden. Oft versteh´ ich selbst nicht die Ursachen für unsere Streitereien. Manchmal will ich sie einfach umarmen und sagen: „Warum trennen wir alles? Weshalb quälen wir uns gegenseitig? Können wir denn nicht alles von Neuem beginnen?“

FREUND: Wunder gibt es nicht. Hier, du hast deine „erstens“, „zweitens“, ausgezählt, und die ganze Zeit „sie“, „sie“… Und wer bist du? Schönling, Millionär, Genie? (Der Mann schweigt.) Ein durchschnittlicher Mann, von denen es, verzeih mir, viele gibt, und forderst dir gegenüber ein außergewöhnliches und ideales Verhältnis.

MANN: Und was soll ich deiner Meinung nach fordern?

FREUND: Vielleicht nicht fordern, sondern geben? Vielleicht muss man SICH und nicht die Ehefrauen ändern?

MANN: Schau an, wie der redet.

FREUND: Nach dem zehnten Glas.

MANN: Interessant, was du nach dem zwanzigsten sagst.

(Frau und Freundin treten ein. Die Männer schauen sie erstaunt an.)

FREUND: Ihr seid nicht zu erkennen. Keine Ahnung, wer welche ist.

FRAU: Wer von euch ist noch hübscher geworden?

FREUND: Beide. Ehrenwort.

FRAU: Was macht ihr hier?

FREUND: Wir sitzen ohne euch und langweilen uns.

FRAU: Jetzt werden wir euch in Schwung bringen. Leg Musik auf!

FREUND: (Schaltet die Musik ein.) Damenwahl!

(Die Frau fordert den Freund auf und die Freundin den Mann.)

FREUNDIN: (Leise.) Hast du mit ihr gesprochen?

MANN: Wann hätte ich den können? Ihr seid doch nicht aus dem Schlafzimmer heraus-gekommen.

FREUNDIN: Um ein Unterkleid zu schenken, dafür findest du Zeit.

MANN: Was soll hier das Unterkleid?

FRAU: (An den Freund.) Nun, hast du dich entschlossen?

(Der Freund tanzt schweigend weiter.)

FREUNDIN: (An den Mann.) Wenn du wüsstest, wie ich das alles satt habe.

MANN: Ich werd´ mit ihr reden, du wirst es sehen.

FREUNDIN: Wann? In einem Jahr?

MANN: Gleich jetzt. Gib uns noch fünf Minuten…

FRAU: (An den Freund.) Also, was sagst du mir?

(Die Musik endet.)

FREUND: Wahrscheinlich ist es Zeit, zu gehen.

FREUNDIN: Ja, ihr habt wahrscheinlich schon genug von uns.

MANN: (Eilig den Freund festhaltend.) Redet kein dummes Zeug, wir lassen euch nirgendwo hingehen.

FRAU: (Eilig die Freundin festhaltend.) Natürlich lassen wir euch nicht weg. Wir haben doch noch keinen Tee getrunken. Setzt euch! (An den Mann.) Schenk allen Wein ein!

(Die Frau reicht allen Tee und Gebäck. Alle essen und trinken schweigend. Der Mann versucht ein Gespräch zu beginnen.)

MANN: Was gibt es Neues?

FRAU: (Nach einer Pause.) Fragst du das mich?

MANN: Allgemein.

FRAU: Was mich betrifft, nichts. Außer, dass ich Tölpler neulich getroffen habe…

MANN: Und, wie geht´s ihm?

FRAU: Gut. Er hat sich von der Frau geschieden.

MANN: Tölpler? Das kann nicht sein!

FRAU: Die Gerichtsverhandlung war auch schon.

MANN: Aber das ist doch… Das… (Findet keine Worte und verstummt.)

FREUND: Mach dir nichts draus. Lass uns trinken und alles vergessen.

MANN: (Tragisch.) Ich will nicht.

FRAU: Man könnte glauben, dass das Weltende angefangen hat.

FREUNDIN: (An den Mann.) Verstehst du denn nicht, dass Scheidung manchmal der bessere Ausweg ist?

MANN: Verstehe. Und wie! Aber Tölpler… Nein, das glaub´ ich nicht! Sie hatten eine Ehe aus Liebe.

FRAU: Das scheint dir so, Lieber! Eine neunzehnjährige Idiotin verliebt sich in einen Jungen, der, zum Beispiel, besser als alle anderen im Kurs tanzt.

FREUNDIN: Und hauptsächlich, weil das Alter so ist – um sich zu verlieben.

MANN: Aber es sind doch nicht alle solche Narren und Närrinnen!

FREUNDIN: Was begreifen wir in der Jugend?

MANN: Man muss verbieten, die Ehe vor fünfundzwanzig Jahren zu schließen.

FREUNDIN: (Ironisch.) Vor dreißig.

FRAU: Vor dreiundvierzig.

FREUND: Man muss überhaupt verbieten, die Ehe zu schließen. Wenigstens den Männern. Frauen – die können heiraten, so viele wollen, aber den Männern – verbieten!

FREUNDIN: Was bist du doch für ein Entschlossener.

FRAU: (Bissig.) Er ist überhaupt der Pessimist unter uns. Am meisten auf Erden fürchtet er das Familienleben.

FREUNDIN: Das ist kein Pessimismus, sondern Feigheit.

MANN: (Immer betrunkener werdend.) Die ganze Sache ist die, dass er im Leben kein Glück gehabt hat. Ein Luder hat sich ihn zum Mann genommen. Er ist ein guter Junge, ergeben, aber da hat ihn sich irgend so ein Luder… geangelt

FREUND: (Unterbricht ihn.) Lass uns lieber austrinken und alles vergessen.

FREUNDIN: Nein, soll er doch zu Ende erzählen. (An den Mann.) Woher weißt du, dass sie ein Luder ist? Kennst du sie?

MANN: Nein, aber er hat mir alles über sie erzählt. Das war schrecklicher, als ein Alptraum. Sie…

FREUND: Hör auf! Meine Biografie veröffentliche ich selbst, wenn die Zeit kommt.

MANN: (An den Freund.) Reg du dich doch nicht auf. Sie weiß, was eine unglückliche Ehe ist und versteht dich. (An die Freundin.) Seit dem er sich so die Finger verbrannt hat, plagt er sich ganz alleine ab. 

FREUNDIN: Der Arme.

MANN: Arm, aber nicht ganz. Unter uns, Mädchen, er hat eine Mitfühlende.

FRAU: (Mit eifersüchtigem Interesse.) Ach, wirklich?

FREUND: Hörst du endlich auf, zu tratschen? Lasst uns lieber austrinken.

MANN: Und alles vergessen.

FRAU: (Eifersüchtig an den Freund.)  Eine Mitfühlende sagst du? Warum hast du sie denn nicht hierher gebracht? Wir hätten uns bekannt gemacht.

MANN: Konnte er nicht.  Er konnte sie nicht hierher bringen.

FRAU: Warum?

MANN: Die Sache ist die, dass sie verheiratet ist. Den Mann liebt sie, ehrlich gesagt, nicht…

FRAU: (An den Freund.) Und der Mann sie?

MANN: Auch nicht.

FRAU: (An den Freund.) Was hält sie dann zusammen?

MANN: Sie? (Verdutzt an den Freund.) Hör mal, aber warum  scheiden sie sich denn wirklich nicht?

FREUND: (Trübsinnig.) Ich wird´ sie fragen.

MANN: (An die Frau.) Siehst du, er weiß es auch nicht. Aber, verstehst du, die Ehe ist eine verdammt stabile Sache. Alles ist irgendwie schon zerbrochen, aber sie hält alleine durch ihre Bezeichnung, und zwar fest.

FRAU: (Beginnt zu verstehen, um wen es sich handelt. An den Freund.) Und warum holst du sie nicht zu dir?

MANN: Und weshalb? Es geht ihm auch so gut. Alles, was er von ihr braucht, hat er, wozu sich unnötige Lasten aufhalsen.

FRAU: (Kalt.) Verständlich.

MANN: Und sie schläft und träumt, wie sie ihn bekommen könnte. Klebt sich an ihn, wie Fliegenfänger, lässt keinen Spalt frei…

FREUND: (Verzweifelt.) Hör mal, was fantasierst du denn da zusammen?

MANN: Erzähl, wie sie ein Ultimatum gestellt hat, damit du sie heiratest. Sollen die Leute doch lachen.

FRAU: Ha-ha-ha.

MANN: Noch heute soll er Antwort geben.

FREUNDIN: Und ihr Mann? Bemerkt denn ihr Mann überhaupt nichts?

MANN: (Freudig.) Ü-ber-haupt – nichts!

FREUNDIN: Wohin schaut der bloß?

FRAU: Es ist bekannt, wohin Ehemänner schauen – in den Fernseher.

FREUNDIN: (Wirft einen Blick auf den Freund.) Oder ins Glas.

FREUND: (Beantwortet den Blick.) Oder auf andere Weiber.

MANN: Hört mal, lasst uns austrinken!

FREUND: Und alles vergessen.

FRAU: Warum denn vergessen? (An den Freund.) Erzähl, wie sie sich an dich klebt.

FREUNDIN: (Giftig.) Und die Hauptsache - weshalb?

MANN: Jetzt beschreib´ ich euch alles genau.

FREUND: Jetzt halt du doch endlich das Maul! Du bist doch betrunken!

MANN: Wirklich, mir brummt der Schädel. Dabei hab´ ich doch nur vier winzige Gläschen getrunken. Kein Viertel.

FREUND: Du trinkst doch sonst nicht, deshalb hat es dich jetzt so erwischt. Geh unters kalte Wasser.

MANN: Nein. (Mutig und vielbedeutend.) Zuerst muss ich mit meiner Frau reden.

(Pause.)

FREUND: Dann gehen wir wohl besser nachhause. (Steht schwankend auf.)

FRAU: (Hält ihn zurück.) Ihr geht nirgendwo hin. Bleibt hier über Nacht.

FREUNDIN: Hier?

FRAU: Warum nicht? Das Kind ist bei der Großmutter, Platz gibt´s viel. (An den Freund.) Hol aus der Abstellkammer die Klappbetten. (Der Freund geht hinaus. Die Freundin sammelt die Tassen ein, wirft einen ausdrucksvollen Blick auf den Mann und geht dann in die Küche. Die Frau sitzt weiter am Tisch.) Ich hör´ dir zu.

MANN: Ich will dir sagen… (Verstummt, geht im Zimmer umher, schaltet Musik ein. Es erklingt eine leise Melodie.)

FRAU: (Müde.) Nun?

MANN: (Für sich selbst überraschend.)  Weshalb trennen wir alles? Wozu quälen wir einander? Können wir denn nicht friedlich und fröhlich leben? Wie einst?

FRAU: (Sie ist betroffen.) Was ist plötzlich mit dir?

MANN: Was heißt „plötzlich“? Ich denke darüber die ganze Zeit nach, ich hab´ einfach keine Kraft mehr. Willst du denn nicht, dass bei uns alles anders wäre?

FRAU: Das hängt nicht nur von mir ab.

MANN: Ich bin dem zuliebe zu allem bereit. Ich will so sehr ein normales Leben!

FRAU: Wenn du das ernst meinst… (Denkt nach, steht auf, geht zu ihrem Mann.) Vielleicht sollten wir es wirklich versuchen?

MANN: (Die Frau umarmend.) Friede?

FRAU: Friede.

MANN: Für immer?

FRAU: Für immer?

MANN: (Freudig.) Als ob ein Stein vom Herzen gefallen wäre! (Küsst die Frau.)

FRAU: Du bist nicht wiederzuerkennen…

MANN: Du auch. So elegant - und hübscher geworden.

FRAU: Das kommt davon, dass ich nicht mein Kleid anhabe.

MANN: Was hat das mit dem Kleid zu tun? (Will die Frau noch einmal küssen, stößt aber dabei den Kaktus um.)

FRAU: (Enttäuscht.) Auch das noch…

MANN: (Munter.) Macht doch nichts. Wir kaufen einen neuen, noch größer, als dieser.

FRAU: Ich hab´ ihn so viele Jahre großgezogen, und du - „macht doch nichts“.

MANN: Lohnt es sich denn wegen einer Nichtigkeit sich so zu ärgern. Wir haben doch beschlossen, ein neues Leben anzufangen.

FRAU: Solange du meinen Ärger als Nichtigkeit abtust, gibt es bei uns kein Leben.

MANN: Wozu brauchen wir diesen nutzlosen, hässlichen Kaktus? Er hat uns doch voneinander getrennt.

FRAU: Du hasst einfach alles, was mit mir verbunden ist.

(Der Freund kehrt mit den Liegestühlen in den Händen zurück.)

MANN: Und du hasst mich selbst.

FRAU: Grund dazu gibt´s. (Geht ruckartig hinaus.)

FREUND: (Verwirrt.) Wohin damit?

MANN: Wohin du willst.

FREUND: Ich versteh´ überhaupt nicht, wer wo schlafen wird. Du, versteht sich, in einem Zimmer mit deiner Frau.

MANN: (Zerstreut.) Ja, natürlich.

FREUND: Und ich mit der Freundin, oder nicht?

MANN: (Eilig.) Nein!

FREUND: Und wie dann?

MANN: Das klären wir nachher.

(Die Freundin raucht nervös in der Küche, die Frau weint im Schlafzimmer, das Gesicht in ein Kissen verborgen.)

FREUND: (Stellt die Liegestühle und den Kaktus auf.) Was denn, bist du wieder außer dir? Habt ihr euch wieder in die Haare gekriegt?

MANN: Das ist es nicht… Jetzt gleich red´ ich mit ihr und setz´ den Punkt aufs „i“

FREUND: Mir steht auch eine Erklärung bevor. Was soll ich ihr sagen?

MANN: Ich, jedenfalls, weiß was. Denn mit ihr zu leben ist völlig unmöglich. Erstens ist sie eine zu nichts taugliche Hausfrau. Alles vergisst sie, nichts schafft sie, daheim ist nicht aufgeräumt, das Mittagessen nicht gekocht, die Wäsche nicht gewaschen… Hastet nutzlos herum, und gibt sich dabei noch als abgerackertes Pferd aus.

FREUND: Natürlich, am richtigsten wäre es für sie, zu mir zu kommen. Aber dabei taucht ein Haufen Probleme auf…

MANN: Zweitens… Was war zweitens? Ach, ja, Geld. Ewig hat sie zu wenig davon. Soll ich etwa welches klauen?

FREUND: Kann sein, dass ich Angst habe. Aber wenn ich Angst habe, muss es einen Grund dafür geben?

MANN: Drittens, und die Hauptsache … Nein, über die Hauptsache später, und jetzt einfach: Drittens…

(Die Handlung hält an. Zuerst verstummt der Ton, und nur der stumme Dialog mit Gesten fährt fort. Dann erstarren auch die Personen, und zuletzt erlischt das Licht.

Mit diesem Bild endet der nächste Kreis unserer Lebenshelden.)

 

 

Ende

 

 

 

Übersetzung: © Albrecht D. Holzapfel 2013 Jalta/UA, Herrenberg/D

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